Warum kann die Adenauerallee nicht so bleiben wie sie ist?
Die Adenauerallee muss zwingend saniert werden, da das Regenwässer nicht mehr den darunter liegenden Kanal erreicht, sondern im Erdreich versickert. Nach diesen Bauarbeiten müssen die Fahrbahnen wieder frisch markiert werden. Gemäß aktueller Regelwerke – den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) und den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) – kann danach der Status quo mit zwei Fahrspuren je Fahrtrichtung nicht wiederhergestellt werden, da der Radverkehr auf dieser Straße zu wenig Platz hat.
Da hier zu Spitzenzeiten 1.500 Kraftfahrzeuge pro Stunde unterwegs sind, ist eine sichere Radverkehrsanlage vonnöten. Im aktualisierten Radverkehrsnetz (Öffnet in einem neuen Tab), das den politischen Gremien derzeit zur Beratung vorliegt, ist die Adenauerallee als Hauptroute ausgewiesen. Auf Hauptrouten hat die Einrichtung sicherer Radverkehrsanlagen besondere Priorität.
Verkehrszählungen haben ergeben, dass insgesamt auf der Nord-Süd-Achse über die Adenauerallee im Vergleich zur Ost-West-Achse über die Oxfordstraße deutlich weniger Kraftfahrzeuge, aber viel mehr Radfahrende unterwegs sind.
- Ost-West-Achse: rund 30.000 Kraftfahrzeuge und 2.100 Radfahrende pro Tag;
- Nord-Süd-Achse: Am sogenannten „nördlichen Ast“ der Zählstelle am Hofgarten wurden am 6. Juni 2023 rund 19.000 Kraftfahrzeuge und rund 4.000 Radfahrer*innen in 24 Stunden gezählt.
Unter Berücksichtigung der gemessenen Verkehrsstärken von 1.500 Kraftfahrzeugen pro Spitzenstunde rät die Verwaltung von einer ungeschützten Führung des Radverkehrs auf der Adenauerallee ab. In Kombination mit den abschnittsweise sehr geringen Breiten lässt sich dort keine vierspurige Kfz-Führung bei gleichzeitiger richtlinien-konformer Radverkehrsführung realisieren. Geplant ist daher ein zwei Meter breiter Radfahrstreifen mit 50 Zentimeter breitem Sicherheitsstreifen.
Warum soll die Adenauerallee jetzt so schnell und in Gänze saniert werden?
Das Oberflächenwasser wird an vielen Stellen nicht mehr in die Kanalisation abgeführt, sondern versickert im Erdreich. Die gesamte Straßenentwässerung – Sinkkästen und der Kanal – müssen erneuert werden. Der jetzige Zustand birgt erhebliche Risiken: Es kann zu Ausspülungen und Fahrbahneinbrüchen kommen. Es besteht akuter Handlungsbedarf, um größere Einschränkungen und lange (Teil-)Sperrungen des Verkehrs zu vermeiden. Die Fahrbahndecke ist bereits heute in einem schlechten Zustand und sanierungswürdig. Um die Entwässerung funktionstüchtig zu machen, muss die Fahrbahn ohnehin aufgebrochen werden und ihr Zustand verschlechtert sich dadurch umso mehr.
Damit auf der Adenauerallee nicht immer wieder Baustellen den Stadtverkehr behindern, sollen 2024 nicht nur die Sinkkästen saniert werden, sondern in einem der tieferliegende Mischwasserkanal als auch die Fahrbahndecke. Dieses Vorgehen kostet zudem weniger.
Wie genau will die Stadtverwaltung die Adenauerallee umgestalten?
Künftig sollen auf der Adenauerallee je Fahrtrichtung
- eine Fahrspur für den motorisierten Verkehr plus zusätzlicher Abbiegespuren in den Kreuzungsbereichen und
- ein baulich abgetrennter Radfahrstreifen, eine so genannte Protected Bike Lane, eingerichtet werden, ein geschützter Radfahrstreifen. Durch eine aufgemalte Pufferzone zwischen Auto- und Radverkehr sowie schnell aufzubringende bauliche Barrieren wie Baken oder Klebebordsteine wird dazu die Radspur vor dem Überfahren und Zuparken durch den Autoverkehr geschützt. An Einmündungen/Kreuzungen, Grundstückseinfahrten sowie Park- und Ladeflächen wird die geschützte Zone unterbrochen. An diesen Stellen soll sie aber farblich markiert werden, damit Abbiegende die Radspur gut erkennen können und beachten.
Darüber hinaus plant die Stadt mit Blick auf die große Bedeutung des Wirtschaftsverkehrs für Transportfahrzeuge insgesamt elf Ladezonen einzurichten.
Aktuell gibt es noch keine Ladezonen entlang der Straße. Auch während des Verkehrsversuchs werden die Ladezonen bereits testweise eingerichtet.
Fahrbahnbreite: Könnte man trotz neuer Radspur nicht doch den Kraftverkehr auf zwei Spuren belassen?
Nein, das lassen die Verkehrs-Regelwerke nicht zu. Durch das hohe Verkehrsaufkommen muss bei der Umgestaltung der Radverkehr mehr Platz – in der Breite fest definiert – erhalten und mit einem abgetrennten Radfahrstreifen besser geschützt werden, zum Beispiel einer „Protected Bike Lane“. Dadurch mangelt es künftig an Platz für zwei Autospuren pro Richtung.
Im Detail: Das Regelwerk „Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen“ (RASt 06) sieht für den Anwendungsfall „vierspurige Straße für den Kfz-Verkehr bei Tempo 50“ keine einfachen Fahrradschutzstreifen vor, wie man sie in der Vergangenheit häufig markiert hat.
Aber selbst wenn auf einen solchen Fahrradschutzstreifen zurückgegriffen würde, würde immer noch der Platz für zwei Kfz-Fahrspuren nicht ausreichen.
Denn auch hier haben sich die technischen Anforderungen der geltenden Regelwerke geändert. So muss ein Fahrradschutzstreifen mindestens 1,50 Meter breit sein und über einen 0,50 Meter breiten Sicherheits-Trennstreifen zu parkenden Autos verfügen.
Von den insgesamt 13 bis 14 Metern Breite der Adenauerallee (bei freier Strecke, außerhalb der Knotenpunkte) wären somit nach Abzug der 4 Meter für Radinfrastruktur noch 9 Meter übrig. Dies reicht nicht aus, um daneben jeweils zwei Kfz-Fahrspuren pro Richtung zu markieren. Dafür wären mindestens 5,50 Meter nötig.
Das Regelwerk hält die Möglichkeit offen, als absolut unterstes Mindestmaß bei eingeschränkter Flächenverfügbarkeit für eine zweispurige Richtungsfahrbahn 5,25 Meter Breite anzuwenden. Dabei müsste dann die Geschwindigkeit auf unter 40 Stundenkilometer gesenkt werden, aber auch dieses Maß ist keine Option bei einer Restfahrbahnbreite von 9 Metern.
Zudem: In den Einmündungsbereichen, wie zum Beispiel an der Arndtstraße, verringern sich teilweise die verfügbaren Maße sogar noch.
Engstelle Koblenzer Tor: Wie wirkt sich hier die Verkehrs-Umgestaltung aus?
Mit der durchgängigen Einspurigkeit auf der Adenauerallee wird die heute vorhandene Engstelle am Koblenzer Tor voraussichtlich sogar entschärft, weil sich der Verkehrsfluss insgesamt gleichmäßiger verteilt als heute.
Derzeit bestehen durch die zweite Fahrspur Kapazitätsreserven, die nach der Sanierung reduziert würden. Aber: Auch zu den Spitzenstunden wird die Leistungsfähigkeit des Verkehrs gegeben sein, sofern keine besonderen Störungen auf der Strecke eintreten.
Zudem: Wenn durch eine sichere, attraktive Führung des Radverkehrs auf der Adenauerallee zukünftig noch mehr Menschen mit dem Rad unterwegs sind, bleibt auch mehr Platz für die verbleibenden Verkehrsteilnehmenden auf der Spur für den motorisierten Verkehr.
Könnten die Radfahrenden nicht einfach über andere Straßen oder den Gehweg geleitet werden?
Nein, denn auf der Adenauerallee befinden sich viele wichtige Ziele und Orte, die sehr oft auf kürzestem Weg mit dem Rad – auch von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen – angefahren werden. Dazu zählen eine Kita, das Beethoven-Gymnasium, die Universitätseinrichtungen, die Universitätsbibliothek, diverse Arbeitgebende und Bundesbehörden, mehrere Geschäfte und Arztpraxen etc.
Die geltenden Richtlinien „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA) orientieren sich an verschiedenen Kriterien wie etwa Verkehrsstärke und Geschwindigkeit: Auf der Adenauerallee wurden am 6. Juni 2023 auf Höhe „Am Hofgarten“ Spitzenstundenwerte von rund 1.500 Kraftfahrzeuge und rund 300 Radfahrer*innen gezählt.
Daher ist weder der aktuelle Zustand eine tragbare Lösung noch eine Führung des Radverkehrs über den Gehweg. Die gemeinsame Nutzung des Gehwegs würde aufgrund der mitunter geringen Breiten und an stark frequentierten Orten, zum Beispiel vor dem Juridicum oder im Bereich der Aufgänge aus der U-Bahn, zu hohem Konflikt- und Gefahrenpotenzial führen und wäre nicht verträglich. Zudem dürfen Radfahrende auf einem für Radverkehr freigegebenen Gehweg nur sehr langsam fahren, im Schritttempo; auf der Gesamtlänge der Adenauerallee von fast zwei Kilometern wäre dies kein praktikabler Ansatz.
Aufgrund der bereits heute hohen Radverkehrsstärken ist die Adenauerallee eine Hauptroute des zur Beratung vorgelegten, aktualisierten Radverkehrsnetzes (DS 230820) (Öffnet in einem neuen Tab), auf denen die Einrichtung sicherer Radverkehrsanlagen besondere Priorität hat. Bei Hochwasser wird sie zudem als wichtige Parallelroute zum Rheinradweg genutzt und auch die Anbindung an die Reuterbrücke erfolgt über die Adenauerallee.
Alternative Radwege? Wie viele Radfahrende nutzen die Kaiserstraße und die Rheinuferpromenade?
Täglich fahren im Schnitt rund 4.000 Radfahrende auf der Kaiserstraße, rund 2.700 Radfahrende in diesem Abschnitt an der Rheinuferpromenade. Jedoch ändert dies nichts am Radverkehr auf der Adenauerallee: Denn auf der Nord-Süd-Achse fahren täglich rund 4.000 Radfahrende, die auch weiterhin auf schnellstem Weg ihre Schule, ihre Universität oder ihren Arbeitsplatz erreichen wollen und dabei künftig besser geschützt werden müssen.
Radverkehrs-Zählung zur Planung: Sind die gemessenen Werte Höchst- oder Durchschnittswerte?
Für die Planung liegen folgende Werte vor: Am sogenannten „nördlichen Ast“ der Zählstelle am Hofgarten wurden am 6. Juni 2023 rund 19.000 Kfz und rund 4.000 Radfahrer*innen in 24 Stunden gezählt.
Der Stadtverwaltung liegen neben den aktuellen Zahlen auch Zahlen aus den Jahren 2018 und 2020 vor (noch vor dem ersten Corona-Lockdown), die mit der heutigen Situation noch gut vergleichbar sind. Damals waren es durchschnittlich rund 21.000 Kraftfahrzeuge und 3.500 Radfahrende pro Tag.
Wer erlässt die für Kommunen bindenden Verkehrs-Richtlinien?
Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, ein eingetragener Verein in Köln, stellt die Regelwerke auf, die für den Entwurf und den Bau von Verkehrsanlagen in Nordrhein-Westfalen (und weiten Teilen Deutschlands) bindend sind. Diese geben neben Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und Verwaltungsvorschrift das Verwaltungshandeln vor.
Was passiert, wenn sich die Stadtverwaltung nicht an diese Richtlinien hält?
Die „Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen“ (RASt 06) und Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) geben den Rahmen für eine verkehrssichere Planung der verschiedenen Verkehre. Sie werden von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) in Köln herausgegeben und sind verwaltungsgerichtlich anerkannte, gültige Planungsvorgaben.
Bei Abweichung von diesen Regelwerken würde die Stadt aktuelle, anerkannte Regeln der Technik missachten, die die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmenden gewährleisten. Damit würde sich die Verwaltung juristisch angreifbar machen, zudem würde bewusst eine unsichere Infrastruktur geschaffen. Dies kann die Stadtverwaltung nicht verantworten.
Die FGSV hat 2022 mit der sogenannten „E Klima“ ergänzende Anforderungen an die Anwendung von ERA 2010 und RASt 06 formuliert, die aktuell durch Überarbeitung der Richtlinien zugunsten klimafreundlicher Mobilitätsträger berücksichtigt werden. Diese ergänzenden Anforderungen verweisen explizit darauf, dass das subjektive Sicherheitsgefühl der Verkehrsteilnehmenden in der Planung von Verkehrsanlagen zu berücksichtigen ist.
Warum ist die konsequente Anwendung dieser Richtlinien so wichtig?
Eine Steigerung der Attraktivität von Fahrrad- und Fußverkehr sowie des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sind beschlossenes Ziel. Nur die konsequente Anwendung der Richtlinien für eine flüssige und sichere Führung von Fuß- und Radverkehr sowie des ÖPNV machen den Umstieg auf den Umweltverbund für die Menschen attraktiv. Dies dient mittel- und langfristig nicht nur der Umwelt und dem Klima, sondern steigert die Lebensqualität in der Stadt (weniger Lärm, weniger Feinstaub, weniger schwere Unfälle) und wird auch den Verkehrsfluss für alle Verkehrsteilnehmenden deutlich verbessern.
Es gibt in Bonn an fast keinem Ort mehr Kapazitäten, Straßen für den Autoverkehr auszubauen oder mehr Parkplätze zu schaffen, da der Stadtraum bereits stark bebaut ist. Dementsprechend müssen die Menschen, die es können, auf platzsparendere Verkehrsarten umsteigen, damit sich in Zukunft alle, auch diejenigen, die nach wie vor auf ihr Auto angewiesen sind, sicher und stressfrei in Bonn bewegen können.
Damit das gelingt, müssen Rad- und Fußinfrastruktur so ausgebaut werden, dass sich möglichst viele Menschen darin wohl und sicher fühlen.
Die genauen Hintergründe der Planung im Zuge der Sanierungsmaßnahme sind ausführlich in der Beschlussvorlage der Stadtverwaltung (DS 230853) (Öffnet in einem neuen Tab) erläutert.
Inwieweit berücksichtigt die Stadt in ihren Plänen den Wirtschaftsverkehr?
Die Stadt hat in der Planung den Wirtschaftsverkehr im Blick. Für die ansässigen Unternehmen richtet die Stadt entlang der gesamten Adenauerallee elf neue Ladezonen ein, die es bisher nicht gab. Der deutliche Großteil der Parkplätze an der Adenauerallee bleibt zudem erhalten und die Erreichbarkeit mit anderen Verkehrsmitteln wie dem Fahrrad wird durch neue Radstellplätze und den Radweg verbessert.
Wie kann ich mich informieren und meine Anregungen zum Verkehrsversuch einbringen?
Die Bundesstadt Bonn bietet umfassende Informations- und Dialogmöglichkeiten an. Ziel ist, während der Testphase gemeinsam mit Anlieger*innen, Gewerbe, Wirtschaft und Verkehrsteilnehmenden Erfahrungen und Verbesserungsvorschläge zu sammeln, die bei der Umgestaltung des Straßenraums berücksichtigt werden können. Alle Informationen dazu finden Sie in den FAQ zur Beteiligung der Bonner*innen.