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Bundesstadt Bonn

200 Jahre Weiberfastnacht: Bonner Stadtteil feiert besonderes Jubiläum

Die Weiberfastnacht im Bonner Stadtteil Beuel feiert im Jahr 2024 ihr 200-jähriges Bestehen. Das besondere Jubiläum ist nicht nur ein karnevalistisches, sondern auch eines der Emanzipation. Denn die Beueler Wäscherinnen wehrten sich gegen die Dominanz der Männer und die damit verbundene Ausbeutung der Frauen. Beide Themen spiegeln sich im geplanten Jubiläumsprogramm.

Katja Dörner, Ina Harder und Ralf Birkner mit historischen Plakaten und dem Jubiläumslogo der Beueler Weiberfastnacht.

Bei einem Pressegespräch am Dienstag, 20. Juni 2023, gaben Oberbürgermeisterin Katja Dörner, Ralf Birkner, Leiter der Bezirksverwaltungsstelle Beuel, und Ina Harder, Präsidentin des alten Beueler Damenkomitees von 1824 („Obermöhn“) und Vorsitzende des Fördervereins Beueler Weiberfastnacht, einen ersten Ausblick auf das Jubiläumsjahr, das von November 2023 bis in den Herbst 2024 gefeiert werden soll.

OB Dörner, die Schirmherrin des Jubiläums ist, hob die Bedeutung der Weiberfastnacht für die Stadt hervor: „Die Weiberfastnacht ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Denn in Beuel wurde erfunden, was heute Millionen von Menschen zum Auftakt des Straßenkarnevals im Rheinland feiern. Wir nennen Beuel deshalb mit Stolz ‚Wiege der Weiberfastnacht‘.“ Sie dankte den vielen Beuler*innen, die mit ihrem Engagement in den Vereinen dazu beitragen, dass das Brauchtum im Stadtbezirk lebendig bleibe. Das Jubiläum sei zudem ein frühes Beispiel für Emanzipation und Bestreben nach Gleichstellung und sozialer Gerechtigkeit, so die OB weiter. „Diese Themen sind mir persönlich und in meiner Arbeit als Oberbürgermeisterin sehr wichtig. Deshalb freue ich mich sehr, dass sich dieser Aspekt ebenfalls im Jubiläumsprogramm widerspiegeln wird.“

Ina Harder ergänzte: „Seit nun fast 200 Jahren reißen am Donnerstag vor Rosenmontag die jecken Wiever die Herrschaft an sich. Die Beueler Waschfrauen waren im 19. Jahrhundert die Initiatorinnen der Weiberfastnacht. Denn sie beschlossen 1824 zum ersten Male nicht nur ihre Wäsche, sondern auch ihre Männer in die Mangel zu nehmen.“ Während nämlich die Männer in Köln Karneval feierten, wo 1823 der erste Straßenkarneval stattfand, setzten sich die Beueler Waschfrauen bei einem Kaffeeklatsch zusammen und machten sich ohne die Männer einige vergnügliche Stunden. „Diese mutige Aktion der damals noch stark unterdrückten Frauen, die zudem schwere körperliche Arbeit leisten mussten, war die Geburtsstunde des Alten Beueler Damenkomitees von 1824. Nach dem Motto, was die Männer können, können die Wiever auch, wurde nunmehr alljährlich an diesem Tag gefeiert“, so Harder weiter.

Höhepunkte der Jubiläumssession (1. Hälfte)

Die Beueler Weiber starten am Freitag, 10. November 2023, mit einem großen (bereits weitgehend ausverkauften) Auftaktkonzert mit vielen Stars des rheinischen Karnevals in ihre 200. Session. Ihren Höhepunkt erreicht die Jubiläumssession am Donnerstag, 8. Februar 2024, mit der Erstürmung des Beueler Rathauses durch Wäscherprinzessin Sabrina I. (Michel). Anlässlich des Jubiläums bestreiten mit Kasalla, Räuber, Köbesse und Druckluft Top-Bands das musikalische Rahmenprogramm.

Auch der Weiberfastnachtszug bietet einige Besonderheiten. So nehmen beispielsweise das Partnerschaftskomitee Beuel-Mirecourt, das Stankt-Josef-Hospital und weitere Gruppen das Jubiläum zum Anlass, um am Zug teilzunehmen. Auch Gäste von der anderen Rheinseite, wie zum Beispiel die Alkoholisierten Funken, werden ausnahmsweise in Beuel dabei sein. Die teilnehmenden Schulen und viele weitere Gruppen haben sich vorgenommen, das Jubiläumsmotto „Tradition met Wieverklaaf, 200 Johr en Beuel, Alaaf!“ in besonderer Weise sichtbar zu machen. Eine erste Besprechung der Zugteilnehmenden wird aus diesem Grund bereits im Oktober stattfinden. Auch Wurfmaterial mit besonderen Motiven zum Jubiläum ist geplant.

Die Proklamation der Wäscherprinzessin am Freitag, 17. November 2023, ist eingebettet in einen Festabend, den die Stadt Bonn ausrichtet. In der Regel bestreiten die Damenkomitees das Programm der Proklamation mit eigenen Kräften. In diesem Jahr erhalten sie Unterstützung von bekannten Künstler*innen, die normalerweise nicht auf Karnevalsbühnen zu sehen sind. Die Damenkomitees steuern unter der Leitung der Kabarettistin Anka Zink gemeinschaftlich einen Beitrag zur Historie der Weiberfastnacht bei.

Auch einen besonderen Jubiläums-Pin der Firma Orden Bley wird es geben, der nicht das übliche Festabzeichen ersetzt. Dieser Pin wird nummeriert in einer Auflage von 2000 Stück hergestellt und ab August zum Kauf angeboten. Über die Pin-Nummern werden bei einer kleinen Lotterie zu Beginn der Session wertvolle Preise verlost.

Chronik und Ausstellung zur Geschichte der Beueler Weiberfastnacht

Unter der Leitung von Jürgen Nimptsch entsteht zudem eine mit rund 200 Fotos bebilderte Chronik zum Jubiläum. Sie wird die Entwicklung der Beueler Weiberfastnacht eingebettet in die gesamtgesellschaftliche Emanzipationsbewegung der Frauen zeigen. Überdies wird sie Beiträge von Prominenten aus der Kulturszene, beispielsweise von Konrad Beikircher, enthalten. Sie wird am Sonntag, 5. November 2023, bei einer Matinee im Beueler Rathaus der Öffentlichkeit vorgestellt.

Eine Ausstellung mit dem Titel „Wäschereien und Wäscherinnen“ ist im Heimat Museum Beuel geplant. Sie wird voraussichtlich am Donnerstag, 4. Januar 2024, eröffnet.

Veranstaltungen im Umfeld des Weltfrauentages 2024

Im Umfeld des Weltfrauentages am 8. März 2024 sind Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit der Gleichstellungsstelle der Stadt Bonn vorgesehen, die den Aspekt der Emanzipation am Beispiel der Weiberfastnacht aufgreifen werden. Außerdem lädt Oberbürgermeisterin Katja Dörner zu einem Empfang ins Alte Rathaus ein.

Träger des Jubiläums sind die Bundesstadt Bonn unter Federführung der Bezirksverwaltungsstelle Beuel und der Förderverein Beueler Weiberfastnacht. In der Stadtverwaltung sind viele weitere Fachbereiche beteiligt. Inhaltlich unterstützen beispielsweise das Kulturamt, das Zentrum für Stadtgeschichte und Erinnerungskultur, die Bonn-Information und das Amt für Internationales. Weitere Programmpunkte für den zweiten Teil des Jubiläumsjahres sind in Vorbereitung.

Ständig aktualisierte Informationen zum Jubiläumsprogramm finden Interessierte auf der städtischen Homepage unter  www.bonn.de/weiberfastnacht. Informationen zur Geschichte der Weiberfastnacht und zur aktuellen Session gibt es auf der Homepage des Fördervereins unter  www.waescherprinzessin.com (Öffnet in einem neuen Tab).

Weiberfastnacht Ergebnis einer Frauenbewegung 

1824 begründete sich das erste Komitee aus „Waschweibern“, das heutige Alte Beueler Damenkomitee von 1824. Die Wäscherinnen Beuels fanden sich am „Kühndonnerstag“ zusammen, legten die Arbeit nieder und beklagten sich in Moritaten und lustigen Reimen über ihre Männer. Diese hatten regelmäßig die Tage vor Karneval beim Ausliefern der Wäsche in Köln das gerade eingenommene Geld durchgebracht.

Dieser Kaffeeklatsch, der „Klaaf“, hat sich bis heute etabliert und wird rund um die Weiberfastnacht als traditionelle „Wieversitzung“ fortgeführt. Nach und nach gründeten sich immer mehr Damenkomitees in den einzelnen Ortschaften Beuels.

Beuel hatte zu dieser Zeit hervorragende Rahmenbedingungen für den Betrieb von Wäschereien: direkt am Rhein gelegen mit breiten Wiesen am Ufer, auf die zur besten Trockenzeit nachmittags die Sonne schien. Das Waschen war neben der Rheinschifffahrt der wichtigste Wirtschaftszweig in dieser Zeit. Mehr als 200 Wäschereien hatten ausreichend Beschäftigung, waren doch mit der gerade erst gegründeten Bonner Universität sowie der Universität Köln viele Auftraggeber in der über den Rhein erreichbaren Umgebung anzutreffen.

Das Waschen war Frauensache, lediglich die Auslieferung erfolgte durch die Männer. Folglich war auf der rechten Rheinseite schon früh klar, dass Frauen maßgeblich zur Gesellschaft beitragen, Unternehmen erfolgreich führen können und selbstbewusst ihre Rechte durchsetzen. Das Wort „Emanzipation“ hat nie jemand in den Mund genommen, sie wurde in den Wäschereien Beuels gelebt.

So ist es nur nachvollziehbar, dass sich die Frauen die Entgleisungen ihrer Männer nicht lange ansahen und an diesem Tag in den Arbeitsstreik gingen. Und weil es im Rheinland vom Naturell her nicht anders geht, wurde nicht gepfiffen und geschimpft – es wurde gelacht und gesungen. Die Weiberfastnacht am Donnerstag vor Rosenmontag ist also eine Erfindung der Beueler Wäscherinnen.

Viele Jahre später wurde aus einer fixen Idee eine bis heute fortgeführte Tradition: Aus der Mitte der einfachen Wäscherinnen wurde 1958 erstmalig eine Prinzessin gekrönt – selbstverständlich ohne dazugehörigen Prinzen. Die Wäscherprinzessin führt an Weiberfastnacht gemeinsam mit der Obermöhn das närrische Treiben Beuels an und erstürmt, wie jede „ordentliche“ Tollität auch das Rathaus, um symbolisch die Regentschaft zu übernehmen. Die Wäscherprinzessin im Jubiläumsjahr, Sabrina I. stammt aus dem Alten Beueler Damenkomitee, das ebenso sein 200-jähriges Bestehen feiert.