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Bundesstadt Bonn

Verlauf der Corona-Pandemie in Bonn im Detail analysiert

In einer in Deutschland bislang einzigartigen Zusammenarbeit zwischen der Bundesstadt Bonn, dem Marktforschungsinstitut infas360 und dem Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit am Universitätsklinikum Bonn (UKB) ist der Verlauf der Corona-Pandemie in Bonn analysiert worden. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchung stellten die drei Partner am Freitag, 5. November 2021, der Öffentlichkeit vor.

„Die Analyse zeigt das Infektionsgeschehen der ersten drei Coronawellen im Detail“, sagt Oberbürgermeisterin Katja Dörner. Ihr Dank galt allen Beteiligten, die zum Gelingen dieses Projektes beigetragen haben: „Bonn ist damit Modellstadt für mikrogeographische Corona-Analysen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse können für uns und für andere Kommunen als hilfreiche Orientierung im Umgang mit der Pandemie und der Bewertung konkret zu ergreifender Maßnahmen dienen.“

„In enger Zusammenarbeit mit der Stadt Bonn, infas 360 und dem Hygiene-Institut des Universitätsklinikums Bonn konnte erstmals auf Basis anonymisierter Indexfälle das gesamte Infektionsgeschehen mit zusätzlichen Daten tiefenanalysiert werden. Dabei wurden Cluster und Muster in bestimmten Bevölkerungsgruppen erkannt, die dazu dienen, gezielte Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung abzuleiten und auch weiterzuentwickeln“, sagen Dr. Barbara Wawrzyniak, Leiterin der Daten und Analysen bei Infas360, und Prof. Nico T. Mutters, Direktor des Hygiene-Instituts am UKB, im Schulterschluss.

Die Datengrundlage

Die Bundesstadt Bonn stellte infas360 und dem UKB rund 14.500 anonymisierte Datensätze aus dem Zeitraum Ende Februar 2020 bis Anfang Juli 2021 zur Verfügung. Die Angaben zu den Infektionsfällen wurden erfasst, mit weiteren soziodemografischen und mikrogeografischen Daten angereichert und analysiert sowie in Zusammenhang mit den ersten drei Infektionswellen gesetzt.

  • Welle 1: 28. Februar 2020 bis 30. April 2020
  • Welle 2: 1. Oktober 2020 bis 28. Februar 2021
  • Welle 3: 1. März 2021 bis 31. Mai 2021

So wurden evidenzbasierte Erkenntnisse über die inhaltliche sowie räumlich-zeitliche Clusterung von Infektionen und deren Zusammenhänge gewonnen.  Ziel war es, die Ausbreitung von Corona regional vertiefter nachzuvollziehen und Erkenntnisse für künftige Maßnahmen abzuleiten. Die zentralen Erkenntnisse lassen sich in verschiedene Kernaussagen zusammenfassen.   

„Die Analyse der Daten hat uns gezeigt, dass das Virus mit jeder Welle anders reagiert, jedoch mit den fortschreitenden Impfungen und den uns vorliegenden Informationen vorhersagbarer wird“, so Bonns Gesundheitsdezernentin Margarete Heidler. „Unsere Aufgabe ist es, die uns vorliegenden Informationen und die gesetzlich gegebenen Möglichkeiten bestmöglich zum Schutz der Bonner Bevölkerung einzusetzen. Ich danke allen Beteiligten für ihren Einsatz in diesem Projekt, der für mich nicht selbstverständlich ist.“

Zweite Welle traf ältere, dritte Welle jüngere Menschen

Zu Beginn der Pandemie hat sich das Coronavirus über die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (bis 65 Jahre) verteilt. In der zweiten Infektionswelle traten die Infektionen verstärkt in der ältesten Bevölkerungsgruppe auf. Mit der dritten Welle verlagerte sich das Infektionsgeschehen auf die Jüngeren, insbesondere Kinder und Jugendliche.

Menschen in Einrichtungen deutlich stärker gefährdet

Im untersuchten Zeitraum haben sich vier Prozent der Bonner Bevölkerung mit Corona infiziert. Es zeigte sich, dass das Infektionsgeschehen für Menschen in Alten- und Pflegeeinrichtungen höher war und dort auch mehr ältere Personen im Vergleich zu den anderen Bevölkerungsgruppen verstarben.

Zusammenhang mit Bebauungs- und Sozialstruktur

In der mikrogeografischen Analyse wurde der Zusammenhang zwischen den Infektionszahlen und der Bebauungs- sowie Sozialstruktur, der bereits für andere Städte aufgezeigt wurde, bestätigt. Während in der ersten Welle die gut situierten Stadtteile (geringe Baudichte, hohe Kaufkraft, geringer Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund) stärker betroffen waren, traten in der zweiten und dritten Welle mehr Infektionen in den eher schlecht situierten Stadtteilen (hohe Bebauungsdichte, geringere Kaufkraft, hoher Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund) auf. Außerdem: Je größer der Haushalt ist, desto größer ist auch das Infektionsrisiko.

Infektionen meist innerhalb einer sozialen Gruppe

Die Analysen zeigten, dass das Infektionsgeschehen fast ausschließlich innerhalb einer sozialen Gruppe erfolgt. Dies ermöglicht die gezielte Aufklärung und Maßnahmen, um Infektionsketten zu stoppen. Das Infektionsgeschehen zwischen den Menschen konzentriert sich auf die gleiche Altersgruppe oder die Infektion zwischen Eltern- und Kindern - also die benachbarte Generation.

„Die tiefergehende Analyse der Infektionsverläufe und –daten bestätigt uns in unserer bisherigen Arbeit. Die Kombination unserer Falldaten und der infas 360 zur Verfügung stehenden soziogeographischen Informationen ermöglicht uns, Rückschlüsse auf die besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen und die räumliche Verteilung der Infektionen zu ziehen“, sagt Dr. Susanne Engels, Leiterin des Gesundheitsamtes Bonn. 

Verschiedene Bausteine städtischer Maßnahmen

Mit weiteren mobilen Impf- und Aufklärungsangeboten möchte die Bundesstadt Bonn ihre Einwohner*innen erreichen und zu einer Impfung, die nach wie vor den sichersten Schutz vor schweren Krankheitsverläufen darstellt, animieren. Insbesondere bei Einrichtungen wie den Alten- und Pflegeheimen erfolgen ein engmaschiges Monitoring und Hilfsangebote zur Organisation und Durchführung der Auffrischungsimpfungen. Ein enger Austausch mit der kassenärztlichen Vereinigung und den niedergelassenen Ärzt*innen ermöglicht es, kurzfristig auf lokal auftretende Probleme zu reagieren und das Infektionsgeschehen einzudämmen. Durch regelmäßige PCR-Tests (sog. Lolli-Tests) an allen Grundschulen und städtischen Kindertagesstätten sowie eine konsequente Kontaktpersonennachverfolgung wird die, bisher nicht durch Impfungen geschützte Gruppe der unter 12-Jährigen, bestmöglich abgesichert.  

Die Analyse der Inzidenzen, der Entwicklung der Infektionszahlen innerhalb der einzelnen Bevölkerungsgruppen sowie der Krankenhausbelegung ist ein weiterer Baustein der städtischen Maßnahmen im Kampf gegen das Virus.

„Die Pandemie zeigt, dass es wichtig ist, eine Datenerhebung durchzuführen und Verhalten und Verhältnisse der betroffenen Menschen genauer zu betrachten, um notwendige Maßnahmen einzuleiten. Das ist ein wichtiger Ansatz für Prävention und Gesundheitsförderung in der Bevölkerungsmedizin, die im Fokus der Gesundheitsämter steht“, so Dr. Susanne Engels, die Leiterin des Gesundheitsamtes Bonn.

Hintergrund

Seit Beginn des Jahres 2021 diskutierte der städtische Krisenstab mit einem interdisziplinären Team aus Wissenschaft und Forschung regelmäßig Best-Practice-Modelle im Umgang mit der Corona-Pandemie. Zur Identifikation zielgerichteter Maßnahmen wurde aus diesem Austausch heraus im Juli 2021 eine kleinräumige Analyse des Bonner Infektionsgeschehens durch das Forschungsinstitut infas360 in Kooperation mit dem Institut für Hygiene und Public Health am Universitätsklinikum Bonn in Auftrag gegeben. Bonn fungiert als Modellstadt, um evidenzbasierte Erkenntnisse für den zukünftigen Umgang mit der Pandemie – auch für andere Kommunen – zu gewinnen.