Es ist ganz schön was los im Montessori-Kinderhaus – kein Wunder, denn es ist Bonns größte städtische Kindertagesstätte, in der aktuell rund 150 Kinder mit und ohne Behinderung und aus vielen Herkunftsländern gemeinsam spielen und wachsen. Am Donnerstag, 2. Februar 2023, hatte sich besonderer Besuch für das Familienzentrum am Waldenburger Ring in Tannenbusch angekündigt: Josefine Paul, Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen informierte sich in der Einrichtung über die Personalsituation in den städtischen Kitas und die Strategien der Verwaltung, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Dafür unternahm sie gemeinsam mit Oberbürgermeisterin Katja Dörner einen Rundgang durch das Haus. Einrichtungsleiterin Vera Gierling führte die beiden Besucherinnen durch die Etagen, wo die Ministerin und die Oberbürgermeisterin mit Mitarbeitenden ins Gespräch kamen.
Insgesamt 24 Fachkräfte aus Spanien arbeiten in städtischen Kitas
In dem multiprofessionellen Team aus pädagogischen Fachkräften, Logopäd*innen und Physiotherapeut*innen arbeiten auch zwei Fachkräfte aus Spanien. Gallego Bueno und Ordaz Solera kamen im Frühjahr 2021 mit weiteren zehn Landsleuten nach Bonn. Zuvor waren sie über eine beauftragte Agentur rekrutiert worden und bereiteten sich ein halbes Jahr intensiv mit einem Deutschkurs auf ihre Arbeit in der Bundesstadt vor. Anfangs wurden sie noch in Teilzeit eingesetzt, da sie parallel weiter an ihren Deutschkenntnissen arbeiteten.
Heute bringen sie sich in Vollzeit in das Kita-Team ein. Auf diese Weise konnte die Stadt Bonn bereits 24 spanische Fachkräfte nach Bonn holen. Die Anwerbung aus dem Ausland ist ein Strategie-Baustein der Stadt Bonn, um weiter gut qualifiziertes Personal für ihre Kindertagesstätten zu bekommen. Spanien bietet sich hier insbesondere an, da die Menschen sehr gut qualifiziert sind mit dem Hochschulabschluss „Maestro en Educación Infantil“, der auch in Deutschland anerkennungsfähig ist. Zudem bietet Deutschland sicherere berufliche Perspektiven als Spanien.
Maßnahmen-Bündel gegen den Fachkräftemangel
„Wir freuen uns sehr darüber, dass wir spanische Fachkräfte für uns gewinnen konnten“, erklärte Oberbürgermeisterin Katja Dörner. „Uns ist bewusst, dass wir mit diesen Frauen und Männern das grundlegende Problem des Fachkräftemangels nicht lösen, sie sind aber eine wichtige und willkommene Verstärkung.“
Insgesamt arbeiten mehr als 900 pädagogischen Fachkräfte in den städtischen Kitas, dazu kommen noch weitere Beschäftigte in den Einrichtungen, wie beispielsweise Küchen- oder Verwaltungskräfte. Rund 70 Stellen sind derzeit nicht besetzt. Der Arbeitsmarkt für Kita-Kräfte ist bundesweit mehr als angespannt. Deshalb setzt die Stadt Bonn auf ein Bündel an Maßnahmen, um weitere Pädagog*innen und Erzieher*innen für sich zu gewinnen.
Bonn ist eine wachsende Stadt. „Das ist eine gute Nachricht“, so Katja Dörner, „sie bedeutet auch, dass wir Wege finden müssen, wie wir unser gutes Betreuungsniveau behalten und auch ausbauen können. Denn Kita-Politik ist Gesellschaftspolitik für die Gegenwart und die Zukunft.“
Familienministerin Josefine Paul unterstrich: „Die Fachkräftegewinnung ist, neben dem weiteren Ausbau der Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege, einer der Schwerpunkte der Landesregierung für die frühkindliche Bildung. Gemeinsam mit den beteiligten Akteurinnen und Akteuren gehen wir gezielte Maßnahmen in der Fachkräfteoffensive Sozial- und Erziehungsberufe an, denn jedes Kind soll in Nordrhein-Westfalen beste Chancen auf gutes Aufwachsen bekommen. Die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland ist ein wichtiger Schritt, dem Fachkräftemangel in der frühkindlichen Bildung zu begegnen. Es ist toll, hier vor Ort zu sehen, wie gut das gelingt. Wir müssen aber selbstverständlich weitere entschiedene Schritte gehen, zum Beispiel durch mehr multiprofessionelle Teams, um noch weitere Kräfte in die Kitas zu holen, durch Entlastungen bei Verwaltungsaufgaben und indem wir - gemeinsam mit den Trägern - für mehr Ausbildungskapazitäten sorgen. Auch hier geht die Stadt Bonn mit ihren vielen weiteren Bausteinen auf dem Weg zu mehr Personal in der Kindertagesbetreuung voran.“
Weitere Bausteine in der Strategie, dem Fachkräftemangel zu begegnen, sind die Vorbereitung einer Personalkampagne, standardmäßige Veröffentlichung von Dauerausschreibungen, nur unbefristete Einstellungen bei Fachkräften, das Angebot der praxisintegrierten Ausbildung, genannt PiA, bei dem Auszubildende direkt eine Bezahlung erhalten und diese dadurch attraktiver wird.
Auch Anerkennungspraktikanten*innen bekommen bei einer Übernahme einen unbefristeten Vertrag, Kinderpfleger*innen können sich zu Fachkräften nachqualifizieren. Allgemein bietet die Stadt Bonn ein breites Fortbildungsangebot, Coaching und Supervision sowie die gezielte Förderung von potenziellen Führungskräften durch interne Seminare. Derzeit gibt es zudem Überlegungen zur Einführung eines Dualen Studiums zum Einstieg in die Arbeit in der Kita, zudem wird die Fachberatung personell gestärkt.
Verwaltungskräfte entlasten pädagogisches Personal
Eine weitere Maßnahme, um pädagogisches Personal zu entlasten und ihm mehr Raum für die Arbeit mit den Kindern zu geben, sind die Verwaltungskräfte in Kitas. Diese Kolleg*innen, finanziert aus dem KiBiz, übernehmen administrative Arbeiten wie Anmeldungen, Statistik, Materialbestellung oder Essensorganisation und halten so den pädagogischen Kräften den Rücken frei. Dadurch gewinnen diese Zeit – die wichtigste Ressource für eine gute Arbeit mit den Kindern.
Das Beispiel Bonns macht Schule, so erkundigen sich mittlerweile zahlreiche Kommunen, darunter Aachen, Wuppertal, Solingen oder Mönchengladbach, welche Erfahrungen die Stadt mit den Fachkräften aus dem Ausland hat oder wie es gelingt, die entlastenden Verwaltungskräfte einzusetzen.
Oberbürgermeisterin Katja Dörner kündigte im Rahmen des Besuchs auch den „Kita-Gipfel“ am 14. Februar 2023 an. Dabei kommen alle Protagonisten der frühkindlichen Bildung an einen Tisch, um kurz- und langfristige Lösungen zu erarbeiten: die Verwaltung, die freien Träger, Eltern-Vertretung. Auch Verantwortliche aus dem Feld der frühen Bildung auf Landesebene sind eingeladen.