Das Sport- und Kulturdezernat der Stadt Bonn rief im Mai 2020 Bonnerinnen und Bonner dazu auf, ihre persönlichen Geschichten aus dem Corona-Alltag zu teilen.
So entsteht ein kollektives Gedächtnis dieser unerwarteten Ausnahmesituation, welches für die Zukunft bewahrt wird und die Stimmung in der Stadt wiedergibt.
Anno 2020
Eva Maria Keuchel
Dass mir so etwas passiert, hätte ich nie gedacht. Ich bin eine Geisel geworden und lebe unter Hausarrest. Denn ich bin eine gefährdete Person, und ich könnte anderen gefährlich werden.
Nun sitze ich fast immer allein in meiner Wohnung und muss Verzichten lernen. Die fest gebuchte Flusskreuzfahrt zusammen mit meinen Freundinnen wurde gestrichen. Meine Opernkarte für „Fidelio“ hat sich in einen Gutschein verwandelt. Der Besuch in Berlin zum Geburtstag meiner Schwester kann nicht stattfinden. Mein Sohn und seine Familie werden nicht aus Hamburg kommen, um mich zu treffen. Mein Fitness-Programm fällt aus, denn Schwimmbad und Sauna sind geschlossen. Und mein Wanderverein will nicht mehr mit mir Wandern gehen. Einkaufen darf ich noch, aber nicht in allen Geschäften. Nur mit einem Mund-Nasen-Schutz vor dem Gesicht und mit viel Geduld in einer langen Warteschlange vor dem Eingang. Der Anblick leer gekaufter Regale im Supermarkt erschreckt mich.
Die Mitbewohner im Haus gehen in großem Bogen um mich herum, wenn wir uns zufällig im Flur begegnen. Oder sie klappen die Wohnungstür schnell wieder zu, wenn sie mich sehen. Trotzdem ist Solidarität zu spüren. Per Telefon, E-Mail und durch Aushang am Schwarzen Brett im Flur erreichen mich zahlreiche Hilfsangebote. Man will für mich Einkaufen gehen. Ich kann Unterstützung bei der Gartenarbeit bekommen. Mein Hund soll mitgenommen werden auf einen täglichen Gassi-Gang. Allerdings habe ich gar keinen Hund. Es gibt sogar Menschen, die bereit wären, ihren Vorrat an Toilettenpapier mit mir zu teilen. Und ich bekomme zwei hübsche, selbst genähte Gesichts-Schutz-Masken geschenkt.
Am Schlimmsten ist, dass ich meine Freunde kaum noch treffen kann. Ich vermisse sie alle sehr. Die gemeinsamen Unternehmungen, ihr Lachen, die anregenden Gespräche fehlen mir täglich mehr. Besonders leid tun mir jene, die im Seniorenheim in strenger Isolation leben müssen, weil jeglicher Besuch- nicht nur von mir, sondern auch von nahen Angehörigen - komplett verboten ist.
Immerhin sind bei mir im Laufe der letzten Wochen alte Bekannte wiederaufgetaucht, von denen ich gar nicht mehr in Erinnerung hatte, dass sie noch bei mir wohnen. So habe ich einige unterhaltsame Abende mit Signore Barolo, Signora Prosecco und Giovanni Aperol verbracht. Besonders danke ich meinem schottischen Freund von der Isle of Islay, der mir auch in dunklen Stunden zuverlässig zur Seite steht.
Wie bin ich in diese Lage geraten? Es ist kein böser Kidnapper, der hinter allem steckt. An Verschwörungstheorien mag ich nicht glauben. Auch der Staat ist nicht schuld daran, obgleich ich mich über manche behördliche Anordnung ziemlich ärgern kann. Die tägliche Nachrichtenflut mit ständig neuen Berichten und Meldungen über Tote, Infizierte und wieder Genesene ist erdrückend. Es wird immer schwieriger, dabei einen klaren Kopf zu behalten.
Corona hält mich gefangen. Unsichtbar klein und dennoch so stark und mächtig, dass fast überall auf der Welt Angst und Schrecken herrschen. Dabei kann ich noch recht froh sein, dass ich - im Vergleich zu vielen Anderen - nicht so schlimm davon betroffen bin. Aber mir ist klar, dass es noch lange dauern wird, bis ich wieder zu meinem normalen Leben zurückkehren kann.
Mir schwirrt der Kopf. Ich gehe hinaus auf die Terrasse, um frische Luft zu schnappen. Es ist herrlich in der warmen Sonne unter tiefblauen Himmel. Ich betrachte die ersten Rosenblüten und freue mich an der üppigen Farbenpracht der Rhododendron-Hecke am Zaun. Unter den Büschen grünt noch Bärlauch, und der freche Waldmeister hat sich mitten in meinem Blumenbeet ausgebreitet. Seitdem der Straßenverkehr so stark zurückgegangen ist, kann ich den schönen Gesang der Vögel ganz deutlich hören. Ich finde, dass jetzt auch die Luft viel klarer ist und mich besser atmen lässt.
Dann denke ich wieder an Corona. Dieses Virus ist lebendig und wird sich weiterentwickeln, ob es uns Menschen nun gefällt oder nicht. Letztlich ist auch es ein Teil der Natur auf unserer Welt. Die Corona-Pandemie jetzt einfach mit Gegenmitteln zu bekämpfen, ist nicht genug. Sie ist eine deutliche Warnung an alle Menschen vor dem weiteren respektlosen Umgang mit Natur und Umwelt.
Als ich mich gerade umdrehen und wieder zurück in die Wohnung gehen will, spüre ich, wie mein guter Kumpel Hoffnung hinter mir steht. Er tippt mir sanft auf die Schulter und sagt: „Das Leben geht weiter. Jetzt den Kopf nicht hängen lassen und aus allem das Beste machen“.
Corona 2020
Renate Reim-Buddensiek
Komm wir gehen Sterne pflücken
und besuchen mal den Mond.
Werden den kleinen Prinz beglücken,
schauen wer dort alles wohnt.
Ein Kometenschweif ist unser Ross,
trägt uns durch ferne Galaxien.
Auf der Milchstraße bauen wir ein Schloss,
lass uns von der Erde fliehen.
Sind wir irgendwann zurück
auf unserem blauen Planet,
erleben wir hier ganz viel Glück,
denn Corona ist verweht.
Dieses Wort gibt´s dann nicht mehr -
ach ich wünsch mir das so sehr.
Einbrechers Hilferuf
Günter Detro
Zum Artikel des Bonner General-Anzeigers auf der Titelseite am 6. Mai 2020: „Weniger Einbrüche in der Region“
Seit das Virus weltweit wütet,
mancher - um den Lohn gebracht -,
kriegt ein bisschen was vergütet,
zumindest, wer den Mund aufmacht.
Auch die Autobosse klagen,
niemand kauft ein Fahrzeug mehr,
doch was soll denn ICH erst sagen,
keine Beute, Beutel leer!
Einbruch in Corona-Zeiten,
fällt für mich nun gänzlich aus,
wegen größter Schwierigkeiten:
Wer verlässt denn schon das Haus?
In der Zeitung kann man's lesen:
Einbruchszahlen geh'n zurück,
sind noch nie so tief gewesen,
mein Verderb, der andren Glück!
Kann's Gewerbe nicht mehr treiben,
muss auch schleunigst an den Tropf,
lass das Stehlen nun ganz bleiben.
Krieg ich auch was aus dem Topf?
Am Alten Zoll
Nelly Neukirchen
Der Rhein im Mondschein, silbern. Eine Schneise im Dämmerlicht, eine Stille, die unwirklich ist. Keiner unterwegs. Keiner säuft und grölt auf der Uferpromenade. Der Biergarten unter den Kastanien schläft und wartet.
Ein Binnenschiff tuckert durchs Silberne. Die Kohlehaufen darauf passen zur Düsternis. Eine Laterne flackert. Um die anderen flattern die Motten. Wenigstens die sind unterwegs. Leises Plätschern. Leise Sirenen, auf beiden Seiten des Rheins. Einzelne Jogger, jetzt doch. Eine Wolke vor dem Mond erinnert mich ans Reisen.
Aus dem Mülleimer neben einer Bank steigt der Geruch nach alten Fritten. Die Rheinnixe dümpelt auf der Beueler Seite. Wartet genauso wie der Biergarten. Wie wir alle. Eine Gesellschaft in Wartestellung, während sie sich geschäftig gibt und so tut als wäre nichts.
Als wäre es normal, im lauen Mondschein am Rhein zu stehen und sich nicht auf „Rhein in Flammen“ und „Pützchens Markt“ zu freuen. Als wäre es normal, jetzt nicht von einem Treffen mit Freunden zu kommen. Und dann der Überdruss an dieser Situation, der genauso fließt wie das Wasser im Rhein. Ohne Pause. Ohne Wehr.
Eigentlich ist alles gesagt zu dem „alles ist so anders“, und die Freude daran, dass es hier am Alten Zoll so still ist, hat sich auch verdünnt.
Der Rhein im Mondschein ist schon immer eine Schönheit gewesen. Tröstlich irgendwie.
Unwirklich
Christel Fassian-Müller
der Frühling schickt seine Boten
doch die Straße ist leer
als ich am Alten Friedhof vorbeiging
vernahm ich einen einsamen Trompetenspieler,
der einen Verstorbenen auf seinem letzten Weg begleitete
seine Tonfolge vermischte sich
mit dem Gesang der Vögel
die Sonnenstrahlen spielten auf dem Asphalt
doch die Straße war leer
ich singe mit einer Sterbenden
an ihrem Bett ein Lied
ihre schwachen Lippen stimmen in meinen Gesang ein
vor dem Fenster begleiten uns die Vögel
mit ihrem Zwitschern
das Leben und der Tod gehen ihren Weg
trotz allem
unwirklich.
©Christel Fassian-Müller, Altenheim-Seelsorgerin Caritas Bonn März 2020
Der Rabe und die Winzlinge
Eva-M. Warnke-Linden und Astrid Wilke
Es war einmal zu Anfang des Frühlings auf einem fernen blauen Planeten, die ersten Bäume bekamen schon ihre neuen Blätter, der Himmel war blau und die Sonne schien über eine lange Zeit. Zu dieser Zeit wehte ein eisiger Wind aus Nord-Ost, der die Menschen von Land zu Land in eine seltsame Starre fallen ließ.
Angst hatte sich ausgebreitet und die Menschen wussten das erlösende Zauberwort nicht. Die Vögel schmetterten freudig ihre Lieder wie eh und je. Der Blütenduft lockte die Bienen aus ihrem Stock. Die Fische erfreuten sich am klaren Wasser, Angelhaken drohten kaum noch als Gefahr.
Nur die Tiere im Zoo wunderten sich. Kein Mensch war auf der anderen des Zaunes zu sehen. „Was ist los?“, fragte ein Schimpansenkind. „Keiner macht uns Grimassen, das ist ein bisschen langweilig.“ „Ich weiß es nicht.“, sagte die Schimpansenmutter, „Fragen wir die kluge Eule.“ Die Eule klappte die Augen auf und zu und überlegte. „Der Rabe.“, sagte sie, „Man müsste den Raben fragen. Der kommt weit herum und erfährt viel.“
Die Frage wanderte weiter, bis sie endlich zu einem Raben gelangte, der im Fasanengehege köstliches Futter fand. „Nun.“, sagte der Rabe, „Ich habe gehört, die Menschen trauen sich nicht mehr aus dem Haus, weil sie plötzlich viele Feinde haben, winzige Feinde, die ihnen den Garaus machen wollen.“ „Warum denn?“, fragte ein Pfau, der sich dazugesellt hatte. „Wie ich gehört habe,“, sagte der Rabe, „sind die Menschen nahe daran die Erde und die Schöpfung zu zerstören.“
„O weh, o weh“, tönte es von allen Seiten. Sogar die Flöhe unter den Fasanenfedern jammerten: „Warum das?“ „Ich weiß es nicht.“, gab der Rabe zu, obwohl er sonst immer Bescheid wusste. „Ich weiß nur, dass die Winzlinge schon oft versucht haben, die Menschen zu belehren, aber stets kurz vorm Ziel aufgaben. Das Handeln der Winzlinge sollte den Menschen immer eine Warnung sein. Ich werde versuchen herauszufinden, wie es dieses Mal ausgeht.“, sagte der Rabe nicht ohne Stolz und flog davon.
Plötzlich ließ ihn ein Raunen und Wispern in der Luft aufhorchen. Er setzte sich auf einen Zweig und lauschte. Unter ihm tagte der Ältestenrat der Winzlinge. „Wir sind noch nicht am Ziel.“, sagte Corona Alpha, der die Sitzung leitete. „Die Sintflut, der Sturz des babylonischen Turmes, die Pest, die Cholera, die Spanische Grippe, nichts, rein gar nichts hat das Verhalten der Menschen verändert.“ „Doch, doch.“, wendete Corona Beta ein, „Sie sind erfinderisch geworden, haben Kampfmittel gegen uns. Die Kollegen von der Pest mussten sich seinerzeit schnellstens verändern und ebenso machten es ihre Freunde, welche für die Cholera sorgten. Auf diese Weise konnten sie weltweit immer wieder für schwere Erkrankungen sorgen.“ „Ziehen wir uns zurück.“, meinte Corona Gamma, dem sein Leben lieb war, „Ehe die Menschen ein Gift gegen uns erfunden haben. Sie werden immer schneller mit ihren Gegenmitteln.“ „Auf keinen Fall!“, protestierten etliche Coronen. „Weitermachen! Weitermachen!“, pflichteten andere bei. Corona Alpha musste einschreiten und dem Tumult Einhalt gebieten.
Als alle sich beruhigt hatten, meldete Corona Delta sich zu Wort, ein Wissenschaftler, der in mehrere Richtungen forschte. „Ich möchte die Behauptungen von Corona Beta hiermit richtigstellen: Bei den Fällen Sintflut und Turm zu Babel waren unsere Vorfahren gar nicht beteiligt. Beide hatten andere Ursachen. Ebenso wie die Pest und die Cholera. Die waren das Werk der Familien Bakteria. – Es fliegt so manche Falschmeldung durch die Luft. - Bleiben wir bei den Tatsachen. Richtig ist, die Spanische Grippe war das Werk unserer großen Verwandtschaft und glücklicherweise verändern sich diese Virenkollegen rechtzeitig jedes Jahr wieder und sorgen so für die Influenza im Winter, was uns allen hilft zu überleben. Diese fortwährende Veränderung nennen wir Wissenschaftler übrigens Mutation.“, fügte Corona Delta stolz hinzu.
Zwischenrufe wurden laut: „Wir müssen auf andere Standorte zugreifen!“, „Wir gehen wieder auf Tiere über!“, „Gemein, die können sich nicht wehren!“, „Ungerecht, die zerstören die Schöpfung nicht!“ Corona Alpha bat um Ruhe. Er schlug vor, die Entscheidung zu verschieben. „Bis zum nächsten Treffen machen wir weiter wie bisher!“ Damit schloss er die Versammlung. Der Rat der Coronen entfernte sich. Es wurde auch Zeit wieder zu den Versorgungsquellen zurück zu schweben.
Der Rabe war etwas benommen von allem, was er gehört hatte. Er flog auf den Boden und suchte nach Essbarem. Dabei ließ er sich das Gehörte noch einmal durch den Kopf gehen und überlegte, ob er nach Osten oder Westen fliegen müsste um zu den Fasanen zurückzukehren. Als ihm die Richtung wieder eingefallen war, machte er sich eiligst auf den Weg. Die Fasane erwarteten ihn bereits. Neugierig umringen sie ihn. „Was hast du erfahren? Erzähle!“ Der Rabe berichtete alles, was er gehört hatte. Nur den Vorschlag eines der Coronen die Tiere wieder zu befallen, ließ er aus um nicht Angst zu streuen. Und er versprach die nächste Versammlung der Winzlinge wieder zu besuchen um zu erfahren, wie es weitergehen würde. In der Zwischenzeit wollte er sich bei den Menschen umhören. Er flog von Stadt zu Stadt, überall war es gähnend leer. Nur hier und da ein einzelner Mensch. Seltsam, dachte er, sonst tragen die Menschen die Mütze auf dem Kopf und nicht im Gesicht. Er erfuhr nichts, was ihm weiterhalf, also beschloss er auf seinen Zweig zurückzukehren. Der Baum, auf dem der Rabe sich niederließ, hatte in der Zwischenzeit seine Blätter voll entfaltet. Die Regenwürmer bemerkten den Raben im Geäst und schlängelten sich angestrengt ins Erdreich zurück, denn sie fürchteten sich vor seinem Schnabel. Auch ein paar Laubfrösche suchten Schutz unter trockenem Laub. Vorsichtshalber.
Der Rabe musste nicht lange warten, bis er das Raunen und Wispern in der Luft vernahm. Aha, die Winzlinge tagen erneut, dachte er. „Liebe Freunde!“, eröffnete Corona Alpha die Sitzung, „Es ist an der Zeit einen Entschluss zu fassen. Viele von euch haben es abgelehnt weiter in den Menschen zu leben. Die Gefahr in Gestalt von Gift rückt immer näher. Andere sind müde von der Arbeit und möchten gerne ausruhen. Wieder anderen gefallen die menschlichen Zellen nicht mehr.“ Corona Delta wurde aufgefordert, seine Meinung aus wissenschaftlicher Sicht mitzuteilen. „Verehrte Freunde,“, sagte er, „es besteht die Gefahr, dass die Menschen aussterben und damit verlieren wir eine unserer wichtigsten Lebensgrundlagen. Ich schlage daher Rückzug und Arbeitspause vor. Überlassen wir getrost unseren Kollegen das Feld, die sich schon für die nächste Influenza rüsten, wie ich erfahren konnte.“ Andere Coronen meldeten sich zu Wort und die Sitzung verlief dieses Mal in geordneten Bahnen. Corona Jota sprach davon, er habe viele Menschen gehört, die versprochen hätten alles zu tun, was der Erde hilft zu überleben. Nun meldete sich Corona Omega zu Wort: „Das ist ein Zeichen der Hoffnung.“, meinte er. „Also lasst uns die Aktion beenden und abwarten, ob die Menschen halten, was sie in der Not versprochen haben. Lasst uns vertrauen.“
Corona Alpha bedankte sich für dieses Schlusswort und dann beschlossen sie die Pandemie bald zu beenden. Einige enthielten sich der Stimme. Es waren die, welche wenig Hoffnung hatten, dass die Menschen sich änderten.
Der Rabe war erleichtert und flog zu den Fasanen zurück. Sie werden sich über die Nachricht freuen, dachte er und bald werden auch die Menschen wieder in den Zoo kommen. Ohne die Menschen wäre die Schöpfung ja auch unvollkommen. Aber ob die endlich verstanden hatten, was wirklich wichtig ist im Leben?
Leben in Zeiten des Coronavirus
Katharina Menz
Die Welt leidet. Nicht nur die zuletzt in den Vordergrund der Aufmerksamkeit gelangte Gesundheit der Umwelt. Auch die Menschen leiden. Flüchtlinge, dem lebensbedrohlichen Krieg in ihrem Land auf entbehrungsreichen Routen entflohen, nun in überfüllten Auffanglagern zusammengepfercht, dem gefährlichen Virus ausgesetzt ohne weitere Fluchtmöglichkeit. Tausende Menschen in Atemnot mit Schläuchen an Maschinen angeschlossen, im Kampf ums nackte Überleben. Ärzte und Gesundheitspersonal dazu berufen unter Lebensgefahr zu beweisen, dass ihr Beruf auch wirklich Berufung ist, oft ohne ausreichendes Schutzmaterial. Die ganze Menschheit ist verunsichert und eingesperrt, wartet auf Anweisungen von Regierungschefs und Virologen. Doch auch diese können nicht helfen. Mediziner erkennen schmerzlich die Unzulänglichkeiten der zeitgenössischen Wissenschaft. Politiker sind mit der Situation maßlos überfordert. Welchen Werten sollen sie mit ihrem Krisenkurs Priorität geben? Dem Schutz ihrer persönlichen Reputation und Wahlchancen, den Interessen der Wirtschaft oder dem gesundheitlichen Wohlergehen ihrer Bürger?
Die Folgen: Geschwächte Wirtschaft, Pleiten, Entlassungen, Arbeitslosigkeit, Finanzkrise; die ganze Welt schwankt ... und uns, unserer Kleinfamilie im Großraum Zürich geht es prima!
Seit Wochen haben wir das schönste, fast sommerliche Frühlingswetter. Die Sonne scheint, die Natur ist aus dem Winterschlaf erwacht, die Luft ist rein und frei von Abgasen, die Vöglein zwitschern, der See glitzert ... Wie könnte das Leben einladender sein?
Wir genießen unsere schöne, große Wohnung und machen all das, zu dem wir sonst keine Zeit finden. Räumen unsere Schränke auf, misten Altes aus und bestellen via Internet adäquaten Ersatz.
Natürlich arbeiten wir auch und das nicht wenig. Darum haben wir unsere loftige Wohnung in verschiedene Bürobereiche eingeteilt. Mein Mann ist mit einem riesigen Bildschirm im Gästezimmer einquartiert. Das Schulzimmer ist auf den Schreibtisch im Zimmer unseres Teenagers verlagert worden und mein Büro ist mobil: Auf dem Sofa, am Ess- oder Küchentisch oder auch mal in meinem normalen Büro, welches sich praktischerweise im Gebäude gegenüber unserer Wohnung befindet. Soweit zu den Arbeitszonen.
Kürzlich ist noch die Bibliothek zum Fitnessraum umfunktioniert worden. Dort gibt es täglich, irgendwann zwischen fünf und halb sieben, Mattenturnen für Brust, Bauch und Po, welches ich mit meiner Tochter unter Anleitung einer bei jungen Hipstern berühmten Youtuberin befolge. Mein Mann strampelt sich derweil im Schlafzimmer auf einem Hometrainer-Fahrrad ab und sieht sich dabei Reiseberichte aus aller Welt an. Er ist jetzt bereits von Zürich über Wien nach Moskau, von dort mit dem Transsibirien-Express nach Peking und noch weiter geradelt.
Nach der körperlichen Ertüchtigung und frisch geduscht, treffen wir uns in unserer Bar im Wohnzimmer, repräsentiert durch die schicken Holzsessel, die sonst so wenig gesessen werden und nehmen einen Aperitif aus der neu angeschafften Designerbar zu uns. Bei den Tages-Nachrichten kochen wir uns anschließend auserlese Speisen, deren Zutaten wir in den Feinkostläden der Umgebung, effizient kombiniert mit einer kleinen Fahrradtour oder einem Spaziergang in den Arbeitspausen, eingekauft haben.
Sodann begeben wir uns ins private Restaurant. Bei Kerzenlicht an einem österlich gedeckten Tisch genießen wir unsere eigenen Kochkünste und kredenzen uns einen edlen Tropfen aus unserem Weinkeller. Noch nie haben wir so abwechslungsreich gegessen, so viele kulinarische Neuheiten ausprobiert und dabei im gemütlichen Zubereitungsprozess miteinander gesprochen. Leider mit Ausnahme unseres Teenagers, der oft nicht dabei sein will. Wir haben uns allerdings mittlerweile damit abgefunden, dass dieser nur zur Fütterung seine Höhle mit Chatroom verlässt und hoffen auf bessere Zeiten.
An den Wochenenden bereiten wir unsere weiße Winterhaut auf unserer Sonnenterrasse auf die Sommergarderobe vor. Ich sehe trauriger Weise dabei in meinem Bikini nicht ganz so schick aus wie sonst. Das gute Essen und der Alkohol sind leider sehr sichtbar. Ich frage mich oft, wo ich mich nach Corona zuerst anmelden soll; bei den Weightwatchers oder den Anonymen Alkoholikern.
Wie absurd das alles ist. Darf man bei so viel Zusammenbruch und Leiden um einen herum überhaupt so unbeschwert genießen und so banale Sorgen haben?
Wirklich Sorgen macht mir, trotz des schlechten Gewissens darüber, dass es uns so gut geht, eigentlich nur das Verlassen der Wohnung und das Einkaufen. Immer mit Maske und Einweghandschuhen und unter Verbrauch von Unmengen von Desinfektionsmitteln. Desinfizieren nach der Öffnung der Haustüre unseres Mehrfamilienhauses, nach der Briefkastenleerung, vor dem Einsteigen ins Auto und nach dem Einkaufen im Supermarkt, nach Rückkehr in die Wohnung, usw. Als wenn die Luft kontaminiert wäre. Ich fühle mich unfrei. Aus dem Haus gehen ist kein Vergnügen zurzeit.
Wie lange soll das noch gehen? Was kommt noch auf uns zu? Ein Hauch von Existenzangst schlummert unangenehm den ganzen Tag unterschwellig in mir. Es wird nie wieder werden wie es war! Ist das schlecht?
Ich sehe auch Gutes. Niemand kann der Bedrohung entfliehen oder sich freikaufen. Es betrifft alle Menschen auf diesem Planeten, manche stärker und manche abgefedert, wie mich und meine Familie, aber der Virus bedroht und beschränkt trotzdem alle und das ist eine neue, kollektive und dazu noch globale Erfahrung. Ich finde diesen Aspekt der Coronakrise positiv. Jetzt lernt die Welt Empathie, Solidarität und Verantwortung und das hat sie schon lange bitter nötig.
An den Fenstern, Applaus.
Romina Germeyer
Die Welt, ein Ausnahmezustand.
Darauf warten, dass es vorbeigeht.
Darauf hoffen, dass man es gut übersteht.
Eine Krise, die einen übermannt.
Menschen, die unfassbar viel arbeiten.
Für uns, Tag und Nacht.
Man versucht alles positiv zu sehen, sobald man aufwacht.
Gibt es dabei noch gute Seiten?
Das frage ich mich,
das frag ich dich.
Wann können wir hier raus?
Zuhause bleiben,
Zeit vertreiben.
An den Fenstern, Applaus.
Coronatus
Thomas Platzbecker
(Im Rhythmus von „Ich bin klein, mein Herz ist rein ...“ zu lesen)
Ich bin ein
Gar winzig‘ Sein
Ich reproduzier‘ mich
Auf Deuvel komm‘ rein
Nicht vom Mars
Dezember war‘s
Entsprang ich in China
Dem Stamme des SARS
Fledermaus
Brütet‘ mich aus
Und biss dann Schleichkatzen
So kam‘ ich mal raus
Der Chines‘
Der aß indes
Ganz gerne Schleichkatzen
Als Delikatess‘
In ihm macht‘
Ich mich ganz sacht
Dann breit, immer breiter
Und hab‘ mir gedacht:
Warum nicht
Bildung ist Pflicht
Das Ausland bereisen?
Drauf bin ich erpicht
Das war recht
Ich sprang in echt
Von ChinachEuropa
Zum alten Geschlecht
Eins, zwei, drei
Die Lombardei
Die hab‘ ich erobert
Da bin ich halt frei
Hier ist man
Ganz nah‘ beisamm‘
Tauscht aus seine Tröpfchen
Wie‘s niemand sonst kann
Spanien auch
Pflegt diesen Brauch
Ich streichel genüsslich
Den hungrigen Bauch
Mullahland
Ich überrannt‘
Die lassen mich machen
Ham sie jetzt bekannt
USA
Amerika
Wolltest mich verleugnen
Doch schon bin ich da
Deutschland bahn‘
Mein nächster Plan
Den Weg ich ins Chaos
Es ist heller Wahn
Sterben heut‘
Hier wenig Leut‘
Muss ich mich ‘was sputen
Weil die das sonst freut
Wirtschaft und
Kultur lief rund
Das soll nun verschwinden
In mei-heinem Schlund
Kontinent
Um Kontinent
Setz‘ ich meine Kron‘ auf
Und sehr konsequent
Ich regier‘
Domestizier‘
Gedanken und Handeln
Der Menschen allhier
Darum hör‘:
Als Gouverneur
Geh‘ ich über Leichen
Und bring‘ dir Malheur
Zwing‘ dich nun
Zu ander‘m Tun
Dafür muss ich töten
Da gibt‘s kein Vertun
Stillstand droht
Und große Not
Der Mensch ist halt langsam
Und meist ein Idiot
Froh ich bin
‘S ist mein Gewinn
Denn wenn er nun aufwacht
Dann bin ich bald hin
Doch mein Feind
Mein Wirt und Feind
Willst nun mich vernichten
Und hast dich vereint
Im Akkord
An manchem Ort
Da planen Labors nun
Den Virenmord
Ungerecht
Das Virenrecht
Kennt keine Verfassung
Was sich wohl bald rächt
Ja, ich muss
Den Exitus
Wohl bald reduzieren
Ach welch ein Verdruss!
Ach und Weh
Was auch entsteh‘
Teilt doch nur zwei Streben:
Vermehr‘ dich und geh‘!
Corona.
Sybille Pieck
Die ritualisierte Ordnung des Alltags
zerfiel im Chaos einer Ausnahmezeit.
Corona nahm uns aus der Zeit.
Sind wir nun offen für den Lauf des Wassers?
Gleiten wir hinein in den Strom des Lebens und lassen uns tragen?
Lernen wir uns zu begreifen als ein Teil im Kreislauf der Natur; nicht mehr und nicht weniger?
Erkennen wir uns als die Gleichzeitigkeit?
Wir sind der Tropfen und wir sind das Meer.
Corona-Spaziergang
Eva-Maria Gerstkamp
Der Buntspecht trommelt in den kahlen Ästen des Buchenwaldes und die Märzensonne taut schon früh in den Morgenstunden die Spuren des nächtlichen Frostes auf. Der Frühling lässt Buschwindröschen und Scharbockskraut erblühen und tut so, als sei alles wie immer. Ostern steht vor der Tür und aus dem Unterholz grinst ein Osterhase aus rohem Holz, die Kettensägenskulptur eines unbekannten Künstlers.
Zu zweit haben wir uns auf dem Parkplatz unterhalb des Ölberges verabredet. Fremde Personengruppen mit mehr als zwei, die nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben, sind unerlaubt. Zur Begrüßung strecken wir uns die Hände bis auf zwei Meter Abstand entgegen und lachen uns an. Da die Spazierwege breit genug sind, können wir so während unseres gesamten Spazierganges die erforderliche Distanz einhalten. Wir sprechen lauter als sonst und ich muss dabei in Etappen das französisches Gedicht von La Fontaine vorlesen, wie es dem Fuchs durch Schmeichelei gelingt, dem Raben das Stück Käse zu entlocken. Das ist meine Unterrichtsstunde in Französisch, die heute im Freien stattfindet. Sprachen lernen, eine von vielen Empfehlungen, um mit der Einsamkeit dieser Wochen klarzukommen. Warum nicht auch im Wald? Außer einem Mann, der seinen Hund Gassi führt, sind nur wenige Spaziergänger unterwegs. Alle grüßen und wir sind fröhlich gestimmt. „Ah, da kommt wieder jemand, schön weit auseinander gehen,“ ermahnen wir uns so laut, dass ein Mann stehen bleibt und scherzhaft anmerkt, man würde uns demnächst auch noch das Lachen verbieten. Na ja, es ist der erste April! „Bis es soweit kommt, sollten wir die Gelegenheiten dazu noch so oft es geht, nutzen,“ geben wir zurück und gehen beschwingt weiter. Im Angesicht der Bäume mit ihren grünen Knospenpunkten sehen wir uns wie in einem pointilistischen Bild von Cezanne in zartgrün und hellblau und bewundern die Anmut der Farben.
An der nächsten Kreuzung kommen die Corona-Sorgen wieder. Mit rot-weißem Flatterband ist das verlassene Speiselokal an der Ecke wie ein trauriger Tatort abgezäunt und die Tafel mit dem „Schnitzel - Satt – Angebot“ für donnerstags fehlt. Wie in den fünfziger Jahren habe ich eine Flasche Mineralwasser mit zwei Gläsern von zuhause mitgebracht, um nach der Wanderung etwas zu trinken. Ich überlege, ob ich die ausrangierte Thermoskanne wieder hervorholen sollte. Für alle Fälle. Wir verabschieden uns, so wie wir uns begrüßt haben, ohne Berührung.
Im Corona-Supermarkt
Eva-Maria Gerstkamp
Aus meinem Supermarkt ist ein Corona-Supermarkt geworden, das heißt er darf lebenswichtige Waren unter Einhaltung besonderer hygienischer Maßnahmen verkaufen. Heute habe ich ihn aufgesucht und einen Einkaufswagen mit desinfizierten Griffen genommen. Daneben steht ein Mitarbeiter mit Sprühflasche, der mir mit deutlichen Kopfbewegungen und undeutlichem Gemurmel deutlich macht, was zu tun ist. Das klappt prima. Ich ziehe einen Wagen heraus und am Ende gebe ich ihn bei dem Mitarbeiter wieder ab. Der desinfiziert ihn sofort, verabschiedet mich schiebt ihn dann in die Reihe.
In unserem Supermarkt gibt es auch zu Corona-Zeiten alles, was man zum täglichen Leben braucht, und das sind nicht nur Lebensmittel. In den Gängen stehen Sondertische mit Schreibwaren, Ostersachen, eine kleine Auswahl an Büchern, Spielwaren, Glückwunschkarten ... Flatterbänder versperren den Eingang zu den Nebengeschäften, den Blumenladen erkenne ich nicht mehr, er ist komplett ausgeräumt. Hinter den Frischetheken tragen die Verkäuferinnen Mundschutz wie Chirurgen in einem OP. Der Laden ist ungewöhnlich schwach besucht und die wenigen Käufer sind bemüht, den Sicherheitsabstand einzuhalten. Die unermüdlich grinsenden Osterhasen mit den goldenen Glöckchen sehen verloren aus, warten auf Kunden. Andere Süßigkeiten bekommt man heute schon zwanzig Prozent billiger. Ich freue mich darüber und lange zu. Der Laden sieht traurig aus, fast als hätte eine Bombe eingeschlagen. Das trübt die Stimmung. Menschen huschen wie Mäuse durch die Gänge, machen Platz und trauen sich kaum, den Kopf zu drehen. In der Gemüseabteilung entdecke ich den ersten frischen Spargel, gestochen von wenigen einheimischen Erntehelfern. Ich kaufe ein Kilo, um die bedrängten Spargelbauer zu unterstützen, denen die wirtschaftliche Krise im Nacken sitzt. Hinter mächtigen Plexiglasscheiben haben sich die mutigen Kassiererinnen verbarrikadiert. Sie sind die neuen Heldinnen der Arbeit. Auf dem Boden vor den Kassen kleben Abstandshalter.
Alles recht unattraktiv, aber im Moment zählt nur das, was sinnvoll ist. Der unsichtbare Feind lauert überall. Die erzwungene räumliche Distanz tut im Laden gut. Keine Drängelei oder Schubserei am Band, das könnte so bleiben. Ich sehe das Schild mit der Aufforderung, man soll aus hygienischen Gründen doch bargeldlos bezahlen. Zu spät. Zum zweiten Mal habe ich die Geheimnummer meiner neuen EC-Karte vergessen und schiebe den Geldschein hinüber. Klaglos wird er angenommen, dann fällt das Wechselgeld aus sicherer Höhe in meine Hand. Gut so. Ich nehme mir vor, mir vor dem nächsten Einkauf die Nummer meiner Kreditkarte einzuprägen. Im Laden ist es ungewohnt still. Die Gute Laune-Musik ist abgeschaltet, kein Kindergeschrei wegen Eis. Alle bewegen sich vorsichtig, flüstern, als ob sie so das schlafende Virusmonster so beschwichtigen könnten. Sie beeilen sich, sind so rücksichtsvoll, wie ich es vor mindestens sechzig Jahren mal erlebt habe. Ich frage mich allerdings, wo die vielen Leute abgeblieben sind, die sonst den Supermarkt füllen. Haben alle schon ihr Einkaufsverhalten geändert, machen sie eine wirtschaftlichere Vorratshaltung als sonst und das nicht nur bei Nudeln und Toilettenpapier?
Mein Supermarkt dieser Tage hat sein Gesicht verändert. Einkaufen als Event ist einem Einkauf nach Notwendigkeiten gewichen und macht keinen Spaß mehr. Dafür werden wir mit allem versorgt, auch aus den geschlossenen Abteilungen. Setzt plötzlich die Kaffeemaschine aus, kann man eine neue bekommen. Fast wäre mir das Wort „beantragen“ entschlüpft. Man meldet den Bedarf am Infocenter an, sucht sich aus einem Prospekt das Gerät aus und spätestens nach einer Stunde liegt es zur Abholung bereit. Wer jetzt im Besitz der roten Kunden-Chipkarte ist, ist glatt im Vorteil. Für das Besorgen der Kaffeemaschine müsste jemand ohne Kundenkarte fünf Euro extra bezahlen, während es für mich mit der Kundenkarte kostenfrei ist. Leider funktioniert meine Kaffeemaschine noch tadellos und die Druckerpatronen habe ich erst kürzlich aufgefüllt. Vielleicht macht ja der Föhn in den nächsten zwei Wochen schlapp, damit ich diesen Super-Service nutzen kann.
Das Coronavirus
Eva-Maria Gerstkamp
Im März ein Virus klitzeklein,
will großer Weltbeherrscher sein,
verbreitet sich von Land zu Land,
den meisten war es unbekannt,
es hangelt sich durch Nasen, Lungen
und kommt durchs Niesen angesprungen.
Gefährlich wird’s als Pandemie
Man muss sich schützen, aber wie?
Schulunterricht auf später vertagt,
alle Konzerte abgesagt,
Schwimmbäder wurden geschlossen,
und der Eismann guckt verdrossen,
soziales Leben eingefroren,
in die Einsamkeit wird ein Kind geboren.
Was ist geblieben?
Man kann sich nur noch per Video lieben.
Im Supermarkt gibt’s Klopapier,
für Deutsche wichtiger als Bier.
Franzosen hamstern Tafelwein,
das hilft gegen das Alleine sein.
Nur eine Pandemie
Eva-Maria Gerstkamp
Ich sitze am Schreibtisch, blinzle in die Sonne, dann ziehe ich die Gardinen vors Fenster. Es ist Ende März und in den letzten Nachtfrösten sind die frisch ausgetriebenen Hortensienblätter erfroren. „Die Pflanzen werden sich wieder erholen.“, sage ich zu meinem Mann. „So, wie die Menschen auch.“, antwortet er fröhlich und gibt mir einen Kuss. Ein Turmfalke segelt vorbei. Seitdem es das Kontakt-Distanz-Gebot gibt, laufen nur noch vereinzelt Spaziergänger über den Weg durch den Grünstreifen. Und die verhalten sich vorsichtig. Überall lauert er, der unsichtbare Feind. Da kommt eine Wespe durch das gekippte Fenster hineingeflogen, brummt, prallt gegen die Scheibe. Vorbei die Zeit, in der ich angsterfüllt nach dem kleinen Tierchen mit einem Tuch geschlagen hätte. Ich helfe ihr nach draußen, die Gefahr ist vorbei, lächle milde. So hätte ich es mir mit Corona auch gewünscht.
Ich sehe von meinem Arbeitszimmer auf das ehemals große Römerkastell Rigomagus und die goldene Meile auf der gegenüberliegenden Rheinseite. So wie heute die Musik in warmen Sommernächten zu mir herüberschallt, wird man damals antike Musikinstrumente und Fanfaren bis hierhin gehört haben. Nur, wo jetzt mein Haus steht, gab es damals nur die Insel mit dem umgebenden Sumpfland. Was für ein Leben in Luxus und Wohlstand muss dort in Sichtweite geherrscht haben! Edle Tongefäße und Gläser, Häuser mit Fußbodenheizungen, Schmuck, genügend Nahrung und vor allem: Wein. Ich kann mir das üppige Leben der Römer gut vorstellen. Nach dem Krieg mit dem Wohlstand aufgewachsen, kenne ich nur das Leben mit dem Fortschritt in Frieden. Ich besitze ein Haus mit eigenem Bad, fahre Auto und der Strom kommt sorgenfrei aus der Steckdose. Und jetzt fesselt mich das Coronavirus ans Haus, schränkt meine Grundrechte ein. Ich fühle mich hilflos.
Kurz vor der Krise habe ich noch mit meiner Friseurin über den letzten Urlaub gesprochen, auch scherzhaft über eine mögliche Schließung des Salons spekuliert. Beim Hinausgehen greife ich immer in das große Bonbonglas, um ein Hustelinchen für den Heimweg mitzunehmen. Jetzt beherrschen andere Themen das tägliche Leben: Hamsterkäufe von Nudeln und Toilettenpapier oder gestohlene Desinfektionsmittel. Die Wirtschaft wird von Corona in die Knie gezwungen, vielen Menschen wird gerade die wirtschaftliche Grundlage für ein sorgenfreies Leben entzogen. Ich weiß es nicht, welche Spätfolgen diese Krise für mein späteres Leben haben wird, ich kenne schlechte Zeiten nur aus den Erzählungen meiner Großeltern. „Niemand kann etwas voraussagen.“, beruhigt mich mein Mann.
Ich erzähle ihm von meinen Studien, von Gründen, die zum Untergang des römischen Reiches geführt haben: Klimawandel mit Erdbeben und Vulkanausbrüchen, dann Pandemien mit ihren verflochtenen Rückschlägen, Kriege, wirtschaftlicher Rückgang, zuletzt weiträumige Migrationen. „Glaubst du, dass wir Menschen nach mehr als zweitausend Jahren dieser Entwicklung schon wieder ausgesetzt sind und erhöht sich gerade unser Leidensdruck?“ „Niemand weiß es, niemand kann es voraussagen.“, sagt er mit freudloser Stimme und verlässt nachdenklich das Zimmer.
Die Krise als Chance? Corona in meinem Umfeld ...
Marina Mormina
Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich Menschen mit einer Krise umgehen (können). So unterschiedlich wie die Möglichkeiten, so vielseitig sind gerade auch die Situationen und Schicksale in meinem Umfeld. Finanzielle Gesichtspunkte, psychologische Aspekte, auch die eigene Gesundheit, familiäre Konstellationen und noch vieles mehr, prägen die momentane Situation jedes Einzelnen völlig anders.
Solo-Selbständige und Freiberufler haben zwar keine Mitarbeiter zu verantworten, jedoch sind bei ausbleibenden Aufträgen relativ schnell die eigenen Existenzen bedroht und eine längere „Trockenphase“ ist in der Regel finanziell nur schwer tragbar. Ganz nah erlebe ich gerade zum Beispiel Kulturschaffende, Künstler und Musiker, denen als erste Branche schon zu Beginn der Krise Auftritte abgesagt wurden, und welche vermutlich auch als letztes wieder hochgefahren werden.
Auch Kleinstselbstständige wie zum Beispiel eine befreundete Inhaberin eines Waxingstudios, eine Kosmetikerin aus meinem Bekanntenkreis und auch eine Freundin mit einem Frauen-Fitnessstudio, alle mussten sie die Tore schließen. Damit sind die Einnahmen weg, die Fixkosten laufen jedoch weiter. Wer sie unterstützen möchte, kann inzwischen Produkte, Personaltrainings, Coachings und natürlich Support-Gutscheine direkt bei den Damen erwerben. So gibt es viele Schicksale, die jeder um sich herum gerade beobachten kann oder man ist sogar selbst betroffen.
Doch wie gehen diese Menschen mit der Krise um? Dafür gibt es keine einheitliche Regel, Krisenzeiten sind erst einmal ein Schock für alle! Finanzielle Ängste können z. B. noch stärker auftreten als sonst. Dazu leben manche ihren Job mit so einer Leidenschaft, dass neben dem Einkommen auch noch ihre Berufung wegfällt wie ein geliebtes Hobby.
Ich konnte Menschen beobachten, die sich erst einmal sortieren mussten, aber dann kleine Schritte in eine neue Richtung gehen konnten. Manche harren aus und warten ab, in der Hoffnung, dass das Leben möglichst schnell wieder weiter läuft wie bisher. Und wiederum andere marschieren wie selbstverständlich los, als gäbe es einfach nichts was sie aufhalten kann. Von diesem Menschen möchte ich Euch mehr erzählen, denn den fand ich besonders beeindruckend!
Dieser Typ Mensch, nennen wir ihn „Peter“ (also englisch ausgesprochen „Pita“ und nicht mit dem griechischen Gericht zu verwechseln), wird einfach zum Macher! Eigentlich merkt man ihm gar nicht so stark an, dass seine Branche in mehrfacher Hinsicht schon seit Beginn der Krise völlig abgestürzt ist. Denn er arbeitet einfach weiter.
Zuerst gibt er sich wie selbstverständlich an alle noch offenen Aufträge und bringt sie zuverlässig wie immer zu Ende. Dabei bleibt er ruhig und versiert, behält die Lage im Blick und bereitet sich parallel darauf vor, dass es Ausgangsbeschränkungen geben könnte. Er überlegt sich was das für ihn bedeuten könnte und beschafft was er braucht, um so gut es geht von Zuhause weiter arbeiten zu können. Sehr schlau, Peter!
Dann kommt der Zeitpunkt, wo sukzessive zeitliche Kapazitäten frei werden sollten, doch das werden sie nicht, nicht bei Peter! Denn er verlagert einfach seine Tätigkeiten. Wie? Indem er nach der konkreten Auftragsbearbeitung, die sonst seinen Tag sehr beansprucht, den Schwerpunkt mehr und mehr auf all das verlagert, wofür er sonst nie (ausreichend) „Zeit hatte“.
Er hat seine Ideen und Pläne im Blick, denn bei einem Menschen wie Peter, gibt es immer etwas zu tun. Er konzentriert sich also nicht einfach nur darauf Geld zu beschaffen, sondern er fokussiert sich, um langfristig zusätzliches Einkommen zu generieren. Dabei verfolgt er strikt seine Linie und probiert dafür auch Neues aus. Er gibt sich an die Projekte, die bislang immer etwas zu kurz gekommen, aber langfristig trotzdem wichtig für ihn sind. Dabei hilft er noch anderen, die gerade nicht so ideenreich sind wie er. Toller Typ!
Peter sagt, es gibt aus seiner Sicht zwei grundlegende Möglichkeiten mit einem Shutdown oder einer Krise umzugehen. Entweder man verharrt dort, wo man ist und wartet ab. Dann muss man aber nicht nur Verluste in Kauf nehmen, sondern nach der Krise auch noch zusätzlich den Stillstand aufarbeiten. Denn es gibt immer Menschen, die Zeit aktiv nutzen, daher dreht sich die Welt grundsätzlich weiter, Krise hin oder her.
Die Alternative ist, diese Zeit mit allen Mitteln zu nutzen und so viel wie möglich daraus zu machen. Damit besteht die Chance nicht nur da wieder anzufangen, wo man aufgehört hat und man kann sich schon während der Krise auf das Ende der Krise vorbereiten. Man geht dann sogar stärker als zuvor daraus hervor und kann Verluste vielleicht auch schneller wieder aufholen. Beeindruckende Einstellung!
Doch natürlich funktioniert nicht genau dieser Weg für jeden mal eben so. Wenn man am Existenzlimit ist und keine Reserven bestehen, ist es keine Entscheidung, die man ohne etwas Vorbereitung treffen kann. Zuvor muss dafür in guten Zeiten etwas Puffer herausgearbeitet und Rücklagen gebildet werden. Falls dies nicht passiert ist, stellt die Krise trotzdem eine Chance dar, nämlich das ein oder andere für das nächste Mal anders zu machen und Leerzeiten dann trotzdem so effektiv zu nutzen wie Peter.
Peter habe ich übrigens nach „Peter Parker“ benannt, weil er mich irgendwie an einen Superhelden erinnert. Mutig, eine starke Persönlichkeit, ein guter und hilfsbereiter Mensch, der sich um andere kümmert und dabei zielstrebig immer weiter macht.
Fazit: Wenn du Not hast, kämpfe mit allen Mitteln. Wenn du Luft hast, erledige all die Dinge, für die du dir sonst keine Zeit genommen hast. Probiere etwas Neues, um nicht still zu stehen, sondern um zu wachsen. Und lerne aus der Krise für die nächste Krise. Bleibt gesund, Eure Mary!
Mallorca, meine Liebe, du wirst vermisst!
Marina Mormina
Mandelblütenzeit auf der Insel, Ausgangssperre in Spanien. Wie das zusammen passt? Na, gar nicht!
In der Welt herrscht Ausnahmezustand, auch Spanien ist davon nicht ausgeschlossen. Manchmal lässt uns die Sonne, wie sie da so friedlich vor sich hin scheint, das Chaos und die Sorgen in der Welt für einen Moment vergessen. Wir können ja auch noch rausgehen. Ja, klar, mit Abstand!
Doch auch auf Mallorca scheint die Frühlingssonne und die Mandelblüten lächeln vor sich hin. Eigentlich der Zeitpunkt, an dem die ersten Hotels öffnen, die Gastronomie hochfährt und der Tourismus anfängt zu atmen. Doch dieser bekommt gerade, dank Corona, keine Luft!? In Gedanken bin ich vor allem in Paguera, meiner 2. Heimat, meinem Lieblingsplatz. Der Boulevard, den ich sonst entspannt inmitten von gut gelaunten Menschen entlang schlendere, erscheint gerade regelmäßig in der deutschen Berichterstattung über Spanien und zwar einsam und verlassen.
Ich möchte mir nicht ausmalen, wie gespenstisch es dort für die Menschen sein muss, wo der Tourismus die Lebensader befüllt und Existenzen von nur einem einzigen Faktor so gewichtig abhängen. Von uns, den Touristen!
Haltet durch und bleibt gesund, ich komme wieder und dieses Mal, werde ich dankbarer sein als je zuvor!
Coronakirsche
Susanne Behrendsen
Ich habe sie nicht gesehen
dieses Jahr
sie blühten ohne mich
und auch ohne die anderen
schön – so schön wie immer
zeigten dem blauen Himmel ihre Pracht
Ihnen geht es gut
ohne uns
Uns fehlt etwas
ohne sie
Corona IX - Risikogruppe
Robert Goepel
Wir die Beinah-Moribunden
sind noch lange nicht verschwunden
hüten eisern die Distanz
geh´n mit Masken nur zum Tanz
in des Marktes engen Gassen
nur behandschuht danach fassen
was zum Leben wir so brauchen
Gott sei Dank wir nicht mehr rauchen
Atmen ein und atmen aus
hindern Viren an dem Schmaus
unsrer Alveolenkuchen
sollen´s anderswo versuchen
Wenn die Jugend wieder geht
auf den altgewohnten Wegen
alle Welt uns Alten rät
weiter Einsamkeit zu pflegen
Doch entscheiden wir allein
wann ins Leben geh´n wir rein
ham erfahren manche Schrunden
als es hieß die Welt erkunden
Ob wir leben oder sterben
wann wir selber geh´n in Scherben
ist der Selbstbestimmten Sach´
sonst gibt es nen großen Krach
Solang wir keinen infizieren
wir nicht nackte Wänd´ anstieren
nur weil wir schon alt geworden
sind wir keine Abfallhorden
Solcherdings sozial wir handeln
wenn wir durch die Straßen wandeln
schonend unser Gegenüber
schicken wir kein Virus rüber
Wenn Corona uns erwischt
wird so richtig aufgetischt
zwar vom Schmaus ich krieg nix mit
doch bin ich für die Urne fit
Corona XIV - Ungleichheit 1
Robert Goepel
Da kommt ein Virus um die Eck
bin 75 - und bald weg
kommt reingegrätscht von hinten, das Aas
als grade ich mein Müsli aß
Dabei wird mir jedoch bewusst
was alles birgt des Lebens Lust
wir leben in gemäßigt´ Zonen
keine Bomben, nur paar Drohnen
Kein Hunger, auch kein Kälteschauer
auch die Hitze ist hier lauer
als im nahen Afrika
wo ich jemand sterben sah
Auf dem Weg zu uns nach Norden
abgetan als Wirtschaftshorden
die jedoch nur Gleichheit wollen
während wir im Schwimmbad tollen
Frühsterblichkeit ist reduziert
in Europas hellen Gassen
das hat Afrika kapiert
deshalb kommen sie in Massen
Was wir alle würden machen
wenn wir andre sehen lachen
ob des Reichtums, ohne Nöte
ohn´ die kleinste Schamesröte
Heute in globaler Sicht
gibt es keinen Erdteil nicht
alle sind wir ausgesetzt
schauen auf den Tod entsetzt
der in Asien, Afrika
zu Haus ist - wie Malaria
die wie andre Leiden auch
sind in diesen Ländern Brauch
Somit, Leut´, den Ball halt´ flach
wegen dieses Ungemach
dass Corona uns beschert
und den Wohlstand uns beschwert
Corona XIX - Liebeslied eines Fußballers - Seniorenkick-Flaute 1 (Roberto/Elmaro-Power)
Robert Goepel
Was ist es schon so lange her,
dass ich dich hab geseh´n
die Tränen sind heut nicht mehr schwer
das muss ich dir gesteh´n
Wer so ging fremd mir unverfror´n
der hat kein Platz mehr hier
hat´ doch mein Herz an dich verlor´n
jetzt bleibt mir nur noch Bier
Allein als runder Ball auf Erden
allein auf weiter Flur
was soll aus dir denn nun bloß werden
vermasselt ist auch dir die Tour
Vermisst du nicht den halbhoch Schuss
oder ne Grätsche, ach, von hinten
oder meinen one-touch-Kuss
und wunderbare Finten
Ob Christoph, Stefan, Elmar auch
Ob Berci, Helmut, Uwe
sie alle stehen auf dem Schlauch
ich sehnlichst nach euch rufe
Ob Ralph, ob Patrick oder John
Ob Erik, Gerd, Johannes
die Quarantäne ist ein Hohn
verloren ist mir alles
Ich üb´ verzweifelt nur mit dir
du runder Ball du runder
ganz übel wird der Abstand mir
oh Gott, gib her ein Wunder
Ich seh´ in weiter Ferne
Kombinationen blüh´n
das Dribbeln ich verlerne
doch bald ich hab Fortune
Obschon mit Risiko belast´
ich will jetzt wieder kicken
die Liebe die ist nicht verblasst
ich hör die Uhr schon ticken
und spür den Rasen, der vermisst
ich atme seine Näh´
steig wieder mit ihm in die Kist´
wenn nicht - bleibt nur das Weh
Sehnsucht - Seniorenkick-Flaute 2 (Roberto/Elmaro-Power)
Robert Goepel
19 Uhr und nicht ein Brief
der ehemals zum Fußball rief
ist der wohl auf dem Weg verschollen
der Post der werd ich ewig grollen
Was mach ich bloß - kein Hakentor
die Viren singen frech im Chor
die Krönung wird es sein hienieden
vorm nächsten Fussball bist verschieden
Denkste bloß, ich halt Distanz
bis ganz vorbei der Virentanz
und wenn es dauert 7 Jahr´
ich sicher nicht zur Hölle fahr
Erst muss noch rein ein Volleyschuss
auch die Hacke ist ein Muss
am liebsten halbhoch und nicht eben
dann mein Assist - die Erd´ lässt beben
19 Uhr und nicht ein Brief
der ehemals zum Fußball rief
die Krönung wird es sein hienieden
vorm nächsten Fussball bist verschieden
Das Leben in den Zeiten der Corona
Cornelia Steinigen
Es ist doch ironisch: Da habe ich meinen Reise- und Fotoblog hier nun seit zwei Jahren nicht mehr aktualisiert und nun fange ich das Bloggen ausgerechnet in einer Zeit allgemeiner Reisebeschränkungen wieder an: Es herrscht weltweiter Ausnahmezustand wegen des Coronavirus Covid-19, auch SARS-CoV-2 genannt (Coronaviren stellen eine Virenfamilie dar, d. h. es gibt verschiedene Unterarten). Historisch gesehen ist die Viruspandemie keineswegs ein Einzelfall (siehe Pest, Cholera, AIDS, SARS & Co.), aber für mich und vermutlich die meisten in meinem Umfeld ist die direkte Betroffenheit durch die Maßnahmen zur Viruseindämmung etwas gänzlich Neues, Unvorhersehbares, Beunruhigendes. Daher brannte es mir förmlich in den Fingern, auf diesem Blog ein paar Gedanken und Erlebnisse der letzten Tage festzuhalten.
Seit Anfang des Jahres war ich (wie immer) wahnsinnig viel unterwegs gewesen: Umzug für meinen neuen Job von Berlin nach Bonn, Wohnungsabgabe in Berlin, zur Fortbildung nach Frankfurt/Main, Dresden, zwischendurch der erste Karneval im Rheinland, Luxemburg, für die „Berlinale“ nach Berlin, Darmstadt, erneut Frankfurt/Main, Köln und Koblenz. Ich freute mich schon darauf, endlich einmal ein paar ruhige Wochenenden in Bonn verbringen zu können. Tja, das kam dann auch schneller als gedacht und zwar auf unbestimmte Zeit – dem Virus „sei Dank“.
Noch letzte Woche bekam ich am Freitag Besuch eines Freundes aus Kassel. Wir trafen uns nach der Arbeit vor der städtischen Bibliothek, da ich für das Wochenende noch ein paar Reise- und Wanderführer für Bonn und Umgebung ausleihen wollte. Weil ich weder mit den fünf Büchern noch meinem Arbeitslaptop (den ich schon in weiser Voraussicht eingepackt hatte) im Rucksack Sightseeing machen wollte, schloss ich alles in ein Bibliotheksschließfach ein und wollte es bis 19 Uhr wieder abholen. Wir gingen auf Sightseeingtour, tranken einen Kaffee im herrlich altmodischen Café Fassbender und kamen kurz nach 18 Uhr zurück zur Bibliothek. Als wir sie durch die Drehtür betraten, tönte uns die Stimme des Sicherheitsmannes entgegen: „Sie kommen hier nicht mehr rein. Wir haben geschlossen.“ Mir rutschte das Herz in die Hose. „Aber ich habe noch Sachen im Schließfach eingeschlossen.“, sagte ich. „Die können Sie eventuell am Montag abholen, ansonsten hat die Bibliothek jetzt bis 19. April geschlossen.“, so der Sicherheitsmann. Die Stadt Bonn musste also just in der Zwischenzeit, als wir auf Sightseeingtour gewesen waren, beschlossen haben, alle städtischen Kultureinrichtungen wie Museen, Bibliotheken, Volkshochschulen, etc. schließen zu lassen – und zwar ab sofort. Nach einer weiteren Diskussion mit dem Sicherheitsmann stellte sich heraus, dass gerade noch der letzte Bibliotheksmitarbeiter im Gehen begriffen war. Er nahm mich als letzte Amtshandlung mit nach oben in die Bibliothek, wo ich meinen Schließfachinhalt abholen konnte. Nach einem Ausweis o.ä. wurde ich nicht gefragt ... Egal, da hatte ich gerade noch einmal Glück gehabt! Ironie des Schicksals: Die Reise- und Wanderführer zu Bonn und Umgebung habe ich nun erst einmal auf unbestimmte Zeit ausgeliehen und werde sie an den Wochenenden „durcharbeiten“ können insofern es zu keinen weiteren Bewegungsbeschränkungen kommt.
Noch am Samstag absolvierte ich mit meinem Besuch eine kulinarische Stadtführung von „Eat the World“ (kleine Schleichwerbung, aber sehr zu empfehlen!) durch mein Stadtviertel Bonn-Beuel, wo wir sieben inhabergeführte Läden (Cafés, Fischladen, Kiosk, Kaffeerösterei) mit deren Entstehungsgeschichte und leckeren Kostproben kennenlernten und nebenbei viel über die Hassliebe zwischen dem linksrheinischen Bonn und dem rechtsrheinischen Beuel erfuhren. Ich hoffe, dass diese kleinen Läden die Coronakrise überstehen werden – stehen sie doch sinnbildlich für alle Selbstständigen, die sich nicht mit einem regulärem, gesicherten Gehalt ins Homeoffice begeben können. Auf Spiegel Online kann man dazu die traurig stimmenden „Elf Protokolle der Unsicherheit“ lesen.
Fun Fact: Beim Einkauf in Bonn-Beuel hörte ich an der Kasse doch tatsächlich den Spruch „Na, über den Rhein kommt das Coronavirus aber nicht.“ Der Spruch versinnbildlicht sehr gut die eben genannte Hassliebe zwischen Bonn und Beuel. Letzteres ist heute ein Stadtteil Bonns, besaß aber von 1952 bis 1969 eigene Stadtrechte, die die Bewohner nur unter Protest aufgaben. In früheren Zeiten war Beuel zudem immer wieder bei Angriffen auf Bonn in Mitleidenschaft gezogen worden, so dass man schließlich auf beiden Rheinseiten eigene Festungen hochzug. Beuel entwickelte sich im Zuge der Industrialisierung zu einem Zentrum von Wäschereibetrieben und Fabriken (Tapetenherstellung, Jutespinnereien, Brotfabrik (heute ein gleichnamiges Kulturzentrum)). Der Beueler Eigensinn zeigte sich nicht zuletzt in seinen Waschweibern, die 1824 den Aufstand wagten und die bisher nur den Männern vorbehaltenen Karnevalsfeiern auch für sich beanspruchten. Die meisten kennen vermutlich Weiberfastnacht, bei denen die Frauen in vielen Regionen das Rathaus erstürmen und allen Männern, die ihnen in die Quere kommen, die Krawatte (stellvertretend für etwas anderes) abschneiden. Tja, dieser Brauch ist in Beuel entstanden! Wieder was gelernt!
Samstagabend begaben wir uns noch auf einen Trip nach Köln, wo eine Freundin ihren Geburtstag in einer Crêperie feiern wollte. Wir waren zunächst die einzigen Gäste, wobei sich das Restaurant nach und nach doch noch füllte. Später in den Kneipen der Umgebung: Gedränge – es war bereits bekannt, dass vom folgenden Tag an alle Kneipen und Bars in Köln würden schließen würden – man hatte den Eindruck, alle nutzten noch einmal die letzte Gelegenheit zum gemeinsamen Trinken und Feiern. Wir hielten uns an den Rat der Virologen und verordneten uns frische Luft und Flaschenbier mit einem Spaziergang durch den Rheinauhafen bis hoch zur Aussichtsterrasse des Kölner Schokoladenmuseums. Dort stießen wir mit zwei Flaschen Sekt an, sangen ein paar Karnevalslieder und machten uns schließlich auf den Rückweg nach Bonn. Ein Hauch von Wehmut lag über der Nacht. P. S.: Die Restaurants in Köln sollten am darauffolgenden Dienstag (17. März 2020) komplett schließen. Hier in Bonn sind sie noch offen ...
Den Sonntag nutzten wir, um den im Süden von Bonn liegenden Drachenfels zu besteigen. Im Zug waren wie an einem gewöhnlichen Sonntag auch viele Ausflügler unterwegs – Studentengruppen, Wandergruppen in Funktionskleidung wie als würden sie Mount Everest besteigen wollen, Familien, etc. Wir fuhren bis Rhöndorf, einem Stadtteil von Bad Honnef, besuchten den Waldfriedhof samt Grabstätte Konrad Adenauers und stiefelten dann den steilen Weg zum Drachenfels hinauf. Oben angekommen traf mich fast der Schlag: Auf den Stufen rund um das Ausflugsrestaurant hockten hunderte Menschen zusammen und genossen die Sonne! „Da hätte ich in einem Museum aber Kontakt zu deutlich weniger Menschen gehabt“, schoss es mir bei diesem Anblick durch den Kopf. Eine Kollegin erzählte mir Ähnliches aus Berlin, wo sie am Wochenende noch nie so viele Menschen auf dem Tempelhofer Feld habe zusammensitzen sehen. Ein verrücktes, schizophrenes Phänomen! Die Realität aus dem nicht wirklich umgesetzten „Social Distancing“ und die Medienrealität mit dem allgegenwärtigen Coronathema scheinen an bestimmten Orten Deutschlands momentan noch ziemlich stark auseinanderzuklaffen. Andere Themen sollten dabei jedoch nicht untergehen, wie die dramatische Lage im Flüchtlingslager Moria (Deutsche Welle: Interview zur aktuellen Situation mit „Ärzte ohne Grenzen“).
Soweit der Wochenendbericht. Vorgestern war ich noch einmal im fast leeren, gespenstisch wirkenden Büro gewesen und nahm mir alles Material mit, das ich für die kommende, unbestimmte Zeit im Homeoffice brauchen würde. Aus dem Bürofenster beobachtete ich einen seilspringenden Mitarbeiter im Bürogebäude gegenüber. Ein Vorbote auf künftige sportliche Aktivitäten zu Hause? Unsere gemütliche Kaffeeecke war schon, da nicht „Social Distancing“-fähig, gesperrt; in der Kantine hielten sich alle an den 1 Meter-Abstand zum Sitznachbarn und ließen immer einen Platz neben sich frei. Für externe Gäste war die Kantine nun gesperrt worden. An der Essensausgabe setzte man nicht mehr auf Selbstbedienung (Tablett, Besteck, Nachtisch), sondern das Küchenpersonal gab alles an uns heraus, was mich in meiner Essensroutine kurz irritierte.
Sämtliche Arbeitsmeetings werden von nun an per Videokonferenz abgehalten – nach heute drei Videokonferenzen sowie weiteren Arbeitsstunden zu Hause war ich froh, am Abend noch ein bisschen am Rhein spazieren gehen zu können. Gestern habe ich seit Jahren mal wieder mit Joggen angefangen – irgendwie muss man sich ja fit halten, wenn sämtliche Yoga- und Fitnessstudios geschlossen sind. Diese Idee hatten auch andere und so war das ganze Rheinufer mit emsigen Joggern und Fahrradfahrern gesäumt. Na, ob das im Sinne des „Social Distancing“ ist? Ich musste schmunzeln: Auf einem der Fähranleger hatte ein Mann sein Schlagzeug aufgebaut und gab ein Ständchen für alle Vorbeikommenden. Ich beobachtete weitere Leute, die ihre Gesellschaftsspiele mit nach draußen gebracht hatten und munter bei einem Bier spielten. Da ich keinen Vergleich zu einem „normalen“ Frühling in Bonn habe, kann ich gar nicht sagen, ob dies alles Phänomene der Coronakrise sind oder nicht. Ich vermute aber, dass es viele der „nine to five“ arbeitenden Menschen nach einem Tag Homeoffice ins Freie zieht. In „normalen“ Zeiten würden sie sich abends eigentlich in einem Fitness- oder Yogastudio, einem Volkshochschul- oder Musikschulkurs oder im Theater, Kino oder einem Restaurant oder einer Bar „verkriechen“ und im öffentlichen Raum nicht sichtbar sein. Vor allem fielen mir auch die vielen Schüler draußen auf, die ja nun seit Freitagnachmittag schulfrei haben. In den Medien ist immer wieder von „Coronaparties“ feiernden Schülern die Rede – doch es gibt auch positive Beispiele wie ich heute an einem Laternenpfahl sah:
Die Coronakrise tue uns „[...] aus anthropologischer Sicht [...] gut“, so die Aussage eines interviewten Italieners in der aktuellen ARTE-Serie zum Thema, und „dass wir nichts als selbstverständlich ansehen sollten und dass es sehr schwierig ist, einen unsichtbaren Feind zu bekämpfen.“ Diese Aussage finde ich interessant. Es sind die externen Umstände, die uns nun (langsam) zu einem Umdenken und einer Verhaltensänderung bewegen. Niemand kann sagen, wie lange diese außergewöhnlichen externen Umstände noch andauern werden – für viele ist es wohl das, was sie zutiefst beunruhigt, zumal, wenn es an die eigene Existenz geht. Ich wage mir aus meiner ohne Zweifel privilegierten Situation heraus aber auch zu sagen, dass ich persönlich diesen Moment der erzwungenen Entschleunigung und Reduzierung gerade als wohltuend empfinde. (Wie gesagt, für existenziell bedrohte Menschen muss das wie blanker Zynismus klingen!) Ich vergleiche die derzeitige Situation mit einer Situation, die ich 2016 erlebte, als ich wegen einer Fuß-OP für sechs Wochen das Haus hüten musste und mich nur kurz zum Einkaufen auf Krücken nach draußen schleppen konnte. Vorab dachte ich „Um Gottes Willen, wie soll ich diese Zeit nur überstehen? Ich werde vor Langeweile sterben.“ Aber dann wurde es (abgesehen von den Fußschmerzen) zu einer der besten Zeiten in meinem Leben. Die äußeren Umstände zwangen mich, physisch inaktiv zu sein. Der ganze Verabredungsstress in Berlin und die ständige Angst etwas zu verpassen (auch bekannt unter dem Kürzel FOMO = Fear of Missing Out) fielen einfach weg. Ich genoss es, ein Buch nach dem nächsten zu lesen, meine Habseligkeiten auszumisten und aufzuräumen (Marie Kondo sei Dank!) und – im Unterschied zur derzeitigen Krise – fast täglich Besuch von Freunden zu erhalten. Auch die derzeitige Coronakrise könnte uns dieses Innehalten und das Erledigen von Dingen ermöglichen, die wir schon seit Ewigkeiten vor uns herschieben (so wie ich die Aktualisierung dieses Blogs). Aber eigentlich stimmt es mich nachdenklich, dass erst solche externen Umstände nötig sind, um mich zum Innehalten zu bringen ... Aber vielleicht geht es Euch ja genauso?
Ansonsten entstehen gerade viele Initiativen zur Nachbarschaftshilfe wie #Nachbarschaftschallenge, wo man sich einbringen kann und die die Coronakrise hoffentlich überdauern werden.
In diesem Sinne, bleibt gesund (wie man sich ja seit den letzten Wochen immer verabschiedet)!
Schmetterling
Hanna Kocanis
Wie die Raupen, die fressen
und werden nicht satt,
machten wir uns her
über Land oder Stadt.
Der Schaden ist groß.
Wer will das bestreiten?
Doch auch für Raupen
kommen die Zeiten,
in denen es still wird
im eigenen Haus.
Nicht wissen was wird.
Und wir können nicht raus.
Kannst du es ahnen,
was gerade geschieht?
Was sich in uns
ohne Zutun vollzieht?
Wir sind mit uns selbst
in engem Raum.
War es, ist es, wird es
ein Traum?
Wir kämpfen noch
und die Sorge ist groß.
Doch bei den ersten Raupen
geht es schon los.
Wir können es noch nicht richtig
benennen.
Wir spüren etwas,
das wir noch nicht kennen.
Und doch - wie Erinnerung
ist es vertraut.
Wir fühlen wir sind
aus Liebe gebaut.
Die Liebe ist alles
und wir sind alle eins.
Wir wissen nicht mehr
was ist deins, was ist meins.
Wir bauen uns um,
wie es uns gefällt
und werden bereit
für eine neue Welt.
Was wächst da?
Könnten es Flügel sein?
Alles, was wächst,
ist am Anfang noch klein.
Und all das Schöne,
wonach wir uns sehnen,
wird sich in uns
immer weiter ausdehnen.
Und wenn es zu eng wird
in unserem Haus,
wagen wir
den ersten Blick hinaus.
Ob wir es glauben
oder nicht -
die Welt hat nun
ein neues Gesicht.
Ich kann dir sagen
die Freude wird groß,
wenn die Hülle platzt
und wir fliegen los!
Corona
Elfriede Werner-Meier
Es muss also sein!
So sind wir denn willig und fügsam
und richten uns in Beschränkung ein,
wir werden genügsam
im Mitteilungsdrang,
wir sehen uns nur von ferne.
Was zu uns dringt, Gesang und Klang,
hören wir nur zu gerne,
lassen uns auch im Schauen beglücken.
Wir folgen der Vögel breit geschwungenem Flug
mit bewundernden Blicken
und spüren den Wind, der sie zu uns trug.
Sie fliehen mit ihm, über den Rhein.
Erkannten sie denn auf den Wogen
der Sonne letzten Widerschein
bevor sie davon geflogen?
Sie nehmen unsere Sehnsucht mit,
die Sehnsucht nach dem, was wir lieben,
was uns verwehrt, was uns entglitt.
Die Freiheit ist ihnen verblieben.
Standhaft die Bäume im Sommergrün,
unberührt von allem Geschehen.
Sie lassen getrost die Sonne verglühn
und müssen gar nichts verstehen.
Dahinter, unübersehbar, die Stadt.
Sie gibt ihre Türme den Blicken frei,
auch die Lichter, die sie hat.
Wie wir ist sie fügsam genügsam dabei.
Sie ist nicht laut, sie schweigt uns an,
gefesselt in neuer Bedrängnis,
wartend wie wir, dass endlich der Bann
uns frei gibt aus dem Verhängnis.
@home I, II, III
Isabel Ruland
@home I
Die Zeit rinnt wie Siruptropfen am Glas,
langsam, Tropfen für Tropfen.
Die Uhr scheint schneller zu ticken als die Zeit vergehen kann.
Es dauert.
Draußen ist es still. Beängstigend still.
Vergeht die Zeit draußen auch?
Wie schnell ist sie?
Ich verliere das Gefühl für die Zeit,
wie viele Stunden sind vergangen,
wie viele Tage?
Ist es morgens oder schon Mittag?
Keine Geräusche zeigen mir den Lebensrhythmus an.
Wenn die Uhr stehenbleibt, hält die Welt an.
Das Ticken der Uhr ist das letzte Lebenszeichen.
Man sagt immer, „das Leben geht weiter“,
wenn etwas passiert ist.
Ich schaue aus dem Fenster.
Da ist kein Leben. Es geht nicht weiter.
Den Satz werde ich nie wieder glauben können.
@home II
Endlich – darauf warte ich schon lange.
Nie war Zeit für dies.
Oder das.
Selbst wenn ich wollte – draußen ist nichts zu tun.
Vor verschlossenen Türen stehen.
Über leere Plätze gehen.
Ich muss der Stille entkommen, die unheimlich über der Stadt liegt.
Ich bleibe @home.
Und mache all die Dinge, für die nie Zeit war.
Womit fange ich an?
@home III
Zeit der Projekte.
Einer baut einen Pool auf.
Einer renoviert das ganze Haus.
Einer schreibt ein Buch.
Einer macht ein 5000er-Puzzle.
Einer lernt das Kochen.
Einer strickt Socken – ganz viele.
Und wenn mein Projekt ist, kein Projekt zu haben?
Homeoffice
Isabel Ruland
Das geht nicht – sagt der Vorgesetzte.
Das klappt nicht – sagt der Techniker.
Das darfst du nicht – sagt der Kollege.
Ich beweise es dir – sagt das Virus.
Isolation
Der Regen rinnt an der Scheibe hinab.
Die Sonne bildet Lichtreflexe.
Der Wind rüttelt am Fenster.
Die Welt ist still da drinnen,
Und da draußen.
Ich bin ganz mir selbst gegeben.
Ich bin kein soziales Wesen mehr.
Ich bin das, was der Mensch nicht ist – einzeln.
Bin ich mir selbst genug?
Halte ich mich selbst aus?
Es gäbe tausend Möglichkeiten,
Dinge, die ich schon immer mal ...
Zeit ohne ist Zeit für.
Isolation ist mehr als Zeit.
Sie ist ein Abgeschnittensein.
Ein Ausgeschlossensein.
Ein Eingeschlossensein.
Isolation ist mehr als Ich.
Sie ist Ich mit Zaun.
Ich muss mich aushalten,
ich muss den Zaun aushalten.
An den Spitzen reiße ich mir die Hände auf.
Ich halte sie aus dem Fenster in den Regen,
der mein Blut in die Welt spült.